Irgendwo in New Jersey, irgendwo in einem heruntergekommenen Haus, irgendwo in einem ranzigen Wohnzimmer: Eine kleine Gruppe Ex-Junkies umarmt sich hemmungslos. Ihre nassen, verschwitzten Körper scheinen zu verschmelzen. Sie wollen ihre ehemalige Sucht besiegen und hinter sich lassen. Ein neues Kapitel im Leben aufschlagen. Sie alle wohnen, schlafen, essen zusammen, treiben ihre Dämonen in vielen Gruppenaktivitäten aus. Doch als ein neues Mitglied seinen Weg in die Gruppe findet, kommt es zu Spannungen und die anderen drohen wieder in vollkommenes Chaos zu stürzen.

Nathan Silver lebt den amerikanischen Independent. Und Independent steht in diesem Fall nicht für eine Produktion von fünf Millionen Dollar, in der Jason Schwartzman durch die Kamera wackelt. Bei Nathan Silver ist das Kino noch roh, werden die Schauspieler über Craiglist gesucht – und liefert die Videokamera aus den achtziger Jahren die wohl abgefucktesten Bilder, die dieses Jahr auf dem Filmfest München zu sehen waren. Silver lässt seine Kamera laufen, wenn seine Laiendarsteller sich die Seele aus dem Leib spielen, Blut und Wasser schwitzen, die Leinwand zu purer, wilder Energie formen, die jede Minute zu spüren ist. Man hätte dies auch angenehmer, schöner und objektiver filmen können. Doch genau wie seine vorherigen Werke ist „Stinking Heaven“ extrem nahes und persönliches Kino. Und wie die Bilder verschwimmen auch die Genres, in denen sich Silver bewegt. „Stinking Heaven“ ist eine Komödie, die wie eine Dokumentation aussieht – und wie ein Drama wirkt.

Dass man sich durch diese Art Film nicht nur Freunde macht, durfte Silver in Paris am eigenen Leib erfahren. Das Publikum hasste seinen Film, verachtete ihn. Viele Zuschauer der Premiere schrieben Kritiker und die Veranstalter des Festivals an: Der Film solle boykottiert und aus dem Programm genommen werden, so schlecht sei er. Und auch wenn Silver diese Erfahrung vielleicht nicht zu seinen allerliebsten zählen wird, zeigt sie, was seine Werke für eine gigantische Kraft entwickeln können. „Stinking Heaven“ ist ein furioser Film, der gehasst und geliebt werden wird. Aber egal, egal ist er ganz sicher nicht. Filmfestivals dürfen sich also auch weiterhin die Filme Nathan Silvers krallen. In Programmen, die oftmals nur aus pseudopolitischen Einheitsbrei-Langeweilern bestehen, ist das Kino des New Yorkers genau das, was es braucht: frischer Wind.

Meinungen

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