Dieses Jahr hat sich die Prophezeiung erneut erfüllt: ein (zufälliges?) Hollywood-Doppel-Programm basierend auf denselben Action-Konzepten. Im Jahre unseres Herren 2013 erlebten wir dahin gehend zwei Terroranschläge im Weißen Haus und vielen von uns blieb das Duo Welt-zerstörender Asteroiden von 1998 gut in Erinnerung – ganz zu schweigen von den beiden Vulkanausbrüchen 1997, aber die waren vergleichsweise mickrig gegen die cineastischen Naturgewalten, die darauf folgten. Und so erheben sich nun 2014, aus den Tiefen der berüchtigten Täler Los Angeles, die allmächtigen Herkules-Zwillinge, von denen aber nur einer der Stärkere sein kann! Doch die Legende hat sich wieder für denjenigen entschieden, der mehr ausgab, darum nach mehr aussieht und einen wahrhaftigen Star am vorderen Rang hat: Brett Ratners Adaption von Steve Moores Comic-Reihe „Hercules: The Thracian Wars“, mit niemand Geringerem als Dwayne The Rock Johnson in der Rolle des mythischen Titelhelden an Bord.

Dabei ist unser antiker Haudegen dieses Mal gar nicht unbedingt die ultimative Halb-Gottheit, für die man ihn für gewöhnlich hält. Durch Mundpropaganda konnte er sich einen gewissen sagenhaften Ruf aufbauen, in Wirklichkeit verdient er sich damit aber ausgezeichnet als Auftrags-Söldner, immer im ergänzenden Teamwork mit seinen fünf treuen Kumpanen: der sarkastische Draufgänger Autolycus (Rufus Sewell), der stumme animalische Tydeus (Aksel Hennie, einer von vielen Dänen in diesem Film), die Pfeil-und-Bogen-Expertin und Amazone Atalanta (Ingrid Bolsø Berdal), Herkules’ Neffe und quasi PR-Manager Iolaus (Reece Ritchie) und zuguterletzt der wahrsagende Kauz Amphiaraus (Ian McShane). Auf ihren Reisen durch das alte Griechenland, in dem jeder Kerl einen fettigen Mittelscheitel trägt und dralle Frauen dafür keinen Büstenhalter, werden sie von Lord Cotys (John Hurt) angeheuert, um sein Reich Thrakien im Bürgerkrieg gegen den Rebellenführer Rhesus (Tobias Santelmann) zu verteidigen.

Bewundert vom Volk – Männer, Frauen und Kinder staunen ständig ob seiner Präsenz – und seinen Kriegern erklärt sich Herkules, der es eigentlich etwas ruhiger angehen lassen wollte und schon gerne mal dezent-kumpelig durchscheinen lässt, dass manche Sage seiner zwölf Arbeiten etwas übertrieben nachgeliefert wurde, nicht nur bereit, seinen Mitmenschen zu helfen, sondern auch mit den Söldnern in den risikoreichen Kampf zu ziehen. Seine muskulöse Prominenz strahlt da schon angenehm Ehrfurcht aus, doch er öffnet sich immer mehr als nachvollziehbarer, rechtschaffen-bescheidener Geselle, wie es nur eine Persönlichkeit wie The Rock ganz natürlich zu vermitteln versteht, ohne den überheblichen Macho raushängen zu lassen. Zudem gibt es da noch eine düstere Hintergrundgeschichte vom Tod seiner Frau und Kinder, dem man ihn anlastet, aber der ihn auch in seine finstersten Träume verfolgt – herauszufinden, wer dahinter steckte, entpuppt sich fortwährend als die letzte große Arbeit, die er zu bezwingen hat.

Doch das ist alles ganz konventionell-überraschungsfreier, nicht melodramatisch-aufgeladener (doch immerhin operettenhafter) Puffer für ein Arsenal an abenteuerlichen Schlachtszenen, wird aber von Regisseur Ratner und Kamera-Genius Dante Spinotti („Manhunter“, „The Insider“) durchwegs souverän und gewissenhaft-kurzweilig, sogar mit einer effektiven Hand für Suspense und präziser Atmosphäre, ins rechte Licht gerückt – so fettfrei und jugendlich-heroisch wie er sich selber als Person zwar nicht pflegt, aber im filmischen Sinne angenehm aufs Wesentliche konzentriert und gut abgewägt im Bewusstsein, dass man schlichtweg eine genüssliche Popcorn-Tour auf die Beine stellen will. Dadurch scheinen die mit stilechten Trainings-Montagen aufgebauten Action-Momente besonders schick hindurch, die mit direkter Unterhaltungs-fokussierter Ruppigkeit und Dynamik auch gerne mal kompromisslos Blut fließen, aber auch Herkules mächtig gewaltig die große Keule schwingen lassen – ein herrlich simples und befriedigendes Bild, das einen schon als Kind restlos begeistert hätte. Da besitzt jeder Schlag die vorgesehene, brachiale Wucht und lässt nicht lange zweifeln, dass in unserem Helden mehr steckt, als was er von sich selbst denkt. Die Legende schwappt langsam in die Wirklichkeit über, auch wenn die fantastischsten Kreaturen allmählich ironisch entlarvt werden: „Fucking Centaurs!

Wie es sich aber auch für einen modernen Blockbuster gehört, steckt hinter der beauftragenden Regierung eine innere Verschwörung mit revisionistischer Bitternis, von der unser Trupp an Warriors mit dem verdienten Gold schlicht auch abhauen könnte – aber das sitzt Herkules verständlicherweise flau im Magen, ganz das idealistisch-sympathische Vorbild, nach dem die Bevölkerung und der Zuschauer strebt, und folglich schlägt er für die Gerechtigkeit gegen Verrat und Tyrannei zurück, immer mit zweierlei Motivation im Rücken: seine Freunde wollen, dass er sich als sagenhafter Held beweist; die Bösen mokieren sich darüber, dass er seine Familie nicht retten konnte = übermenschliche Superkraft und ein Dwayne Johnson, der mit jeder Pore seines Körpers und Schädel-großem Bizeps den Zorn und Elan einer wahren Naturgewalt in die Welt hinausschreit. Ein epischer Klimax für den jung gebliebenen Kinogänger und genau das, worauf Regisseur und Hauptdarsteller engagiert hingearbeitet haben.

Da zieht man unweigerlich mit und die jeweiligen Schützlinge beweisen sich ebenso schlagkräftig um die Rettung der griechischen Demokratie. Doch Ratners Film ist da letzten Endes kein politisches Statement, sondern eine wortwörtlich geile Huldigung eines Mannes, der vor und hinter der Leinwand größer als das Leben selbst erscheint. Sein Herkules repräsentiert eine Ikonografie des ehrenvollen, einnehmenden und doch zugänglichen Strong Man – ein kraftvoller Freund der Menschen, wie er seit Jahrhunderten Groß und Klein begeistert und inspiriert, hierin sogar noch näher an die Menschen herangeführt wird, aber auch aus der Kraft der Humanität seine volle Stärke schöpft. Und selbst wenn der Rahmen in diesem Film dafür ein gewöhnliches Prozedere in der Handlungs-Etablierung durchläuft und jeder stilistische Einfall so ähnlich schon in anderen Werken gesehen wurde, bleibt trotz aller Formalitäten ein intensiv-schnörkelloser Genre-Reißer klassischer Handwerkskunst, der im Zentrum einem der grundsympathischsten Action-Darstellern unserer Zeit die beste Bühne für seine schwitzigen, knallhart-eskapistischen Fähigkeiten bietet, gar nicht unähnlich Liam Neeson im diesjährigen „Non-Stop“. Ein wahrhaftig einschlagender Brocken für genüsslich-knackige 98 Minuten Laufzeit!

Meinungen

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