„Hätten wir bloß jemanden wie Mike Banning gehabt!“ Jene Kernaussage von „London Has Fallen“ greift nicht nur zufällig auf die in den Achtzigern ausgelebten Fantasien des Actionkinos zurück, sitzen hier doch Produzenten am Hebel, die bereits unter Cannon Films gedient hatten. Was aber einst mit Draufgängertum zum pubertären Gerechtigkeitssinn ansetzte, hat sich inzwischen zum zynischen Selbstzweck erhoben. Die Fortsetzung vom „Stirb Langsam“-im-weißen-Haus-Kandidaten „Olympus Has Fallen“ versteht ihren Protagonisten noch weniger als zuvor als Charakter, so ist dieser nun schlicht zu einem Ventil geworden, das angesichts einer Welt voller Terror und dessen komplexen Hintergründen für mehr Überwachung, Drohneneingriffe und genüssliches Verstümmeln der Feinde bar jeder Diplomatie spekuliert. Gerard Butler gibt sich mit extra dicken Eiern die Ehre, die Donald Trumps und AfD-Wähler dieser Welt anzusprechen, wenn er als Übermensch der westlichen Welt mit jedem Schuss einen blutigen Treffer landet und seinen Angreifern zuschreit, sich zurück nach „Thefuckistan or wherever you came from“ zu begeben, während er ihnen zigmal die Klinge in den Rumpf rammt.
Die Eskalationen dieser Methodik erreichen zeitweise unfreiwillige Komik, ehe der Film sich aber offen und ehrlich als Exploitation ausgeben würde, verpackt er sich in leidlich aufrechterhaltener Legitimität. Ohne dass Spezialeffekte und Second-Unit-Einstellungen die Qualität des Inhalts übertrumpfen könnten, versucht der iranisch-schwedische Regisseur Babak Najafi größtenteils einen Standardlook, der einigermaßen kompetent mit Schauwerten umgehen kann und in einer Sequenz sogar „Children of Men“ emuliert. Dass ihm dennoch Taktgefühl in Bezug auf das Drehbuch fehlt, zeigt er bereits in der Etablierung des Waffenschiebers Barkawi, der nicht nur mit dämonisch-konnotierten regionalen Klängen als Stellvertreter allen Übels dieser Welt zur Zielscheibe des Films deklariert wird. Sein Motiv für den globalen Terror stellt in nicht minder klischeehafter Funktion die Rache dar – und deren Mittel verweisen eindeutig auf solche des IS, dessen Nennung der Film bemüht vermeidet, obwohl es ihm ins Gesicht geschrieben steht.
Dazu bereitet das Narrativ eine Plattform vor, indem es alle Staatschefs der westlichen Welt (und der Fairness halber auch Japan) als sympathische Everymen zeichnet, die sich fern der Politik für das Leben, ihre Mitmenschen, Natur und Liebe Zeit nehmen. Die größte Schmeichelei wird US-Präsident Benjamin Asher (Aaron Eckhart) zuteil, der wie alle hier fiktionalisierten Regierungsvertreter so verbrüdert mit seiner Security ist, dass sich dessen Staatssekretärin Lynn Jacobs (Angela Bassett) sogar als Patentante für unseren bald Vater werdenden Helden Mike anbietet. Während dieser allerdings fünf Kameras im Babyzimmer installiert, hadert er zudem damit, eine Resignation nach vielen Jahren des Dienstes einzureichen. Pflicht und Ehre rufen ihn jedoch mit geballter Ladung Pathos zurück, als ein Premierminister in London beerdigt werden soll und somit alle dessen Freunde eingeladen sind. Sobald jedoch die deutsche Bundeskanzlerin Agnes Bruckner dort eine weiße Rose von einem kleinen Kind entgegennimmt und angebliche Sicherheitskräfte mit Bärten (!) sowie bösen Augen (Doppel-!) auftauchen, zeigt sich der Terror direkt aus dem Innern.
Die Signale zum tagesaktuellen Geschehen könnten nicht dicker aufgetragen sein, so schnell sich auch eine Lösung derer anbietet: Nur der Präsident der Vereinigten Staaten schafft es nämlich, ausschließlich mithilfe seines kampferprobten Mannes aus dem Volk, Banning, aus dem Schlamassel zu entkommen und gegen jede Gefahr zu bestehen. Die Beihilfe von NSA-Satelliten sowie anderes High-Tech lassen die Beobachter im Pentagon ebenso euphorisch in die Hände klatschen. Gewiss holt der Film in der Beziehung zwischen Präsident und Beschützer ab und an einen Verweis in Richtung latent homoerotischer Bromance aus Banning heraus, doch abseits einiger One-Liner versteift sich das Prozedere auf eine Humorlosigkeit, welche die Überlegenheit des durchtrainierten Wutbürgers gegenüber rassistischen Abziehbildern feiert. Das entsprechende Weltbild gibt sich in den Dialogen zudem wie eine Versammlung an rechten Wahlsprüchen, die dem zweifelnden Präsidenten zusichern, dass nicht er, sondern eben „die“ Schuld an allem hätten und „die“ den Krieg herüber gebracht haben.
Nun stellt sich allerdings die Frage: Wenn man nach dreißig Jahren über ebenbürtig reaktionäre, aber zumindest inszenatorisch interessante Zeitkapseln wie „Dirty Harry“, „Ein Mann sieht rot“ und „Die City Cobra“ inzwischen distanziert lachen kann – wird es „London Has Fallen“ irgendwann auch so ergehen? Im Augenblick jedenfalls ist er trotz fesselnder Dümmlichkeiten der falsche Film zur falschen Zeit. Er nimmt sich und seine Katharsis aber zu ernst, als dass er als Publikums entlarvende Parodie durchgehen könnte; gleichsam greift er zu gelassen auf aktuelle Ereignisse zurück, als dass er provokativ auffallen könnte. Dass er jenen Umstand letztendlich für eine einseitige Gewaltfantasie bar jeder Konsequenz nutzt, macht ihn wiederum äußerst bedenklich und setzt zu einem Rückschritt an, den das Kino (wie auch das Publikum) lieber nicht als Norm empfangen sollte – selbst unter dem Deckmantel vereinter Nationen und der späten Zugabe eines Verräters auf der Gewinnerseite. Ästhetische oder anderweitig filmisch ablenkende Werte können dem Streifen da auch nicht zur Hilfe kommen, selbst wenn es der stumpf hassende Cowboy-Gestus Bannings gerne so hätte.
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