Wer mit der Produktionsgeschichte von „Jane Got a Gun“ vertraut ist, kann davon ausgehen, letztlich ein Werk voller Kompromisse zu sehen. Allerdings dürfte selbst der normale Kinobesucher feststellen, dass sich ihm hier nur ein mäßiges Genrewerk bietet, welches sich sogar selbst an die Hand nehmen muss, ehe es den Reiz des Westerns versteht. Vielmehr klammert sich der Film voller Unbeholfenheit an altbackene Stilistiken, Erzählstrukturen und Einheitsbilder, als ob Regisseur Gavin O’Connor deutlich machen wollte, dass er nur den Ersatzmann für Lynne Ramsey spielt. Ihr kann man es jedenfalls nicht verübeln, das Projekt am ersten Drehtag verlassen zu haben, so dürftig das Drehbuch durch die Zeit springt und im Dialog mit Plattitüden zur Vergangenheitsbewältigung wirft, nur um zum Schluss innerhalb der kreativen Sackgasse am Stillstand dahinzudämmern. Dabei ist die Ausgangslage keine gewöhnliche, sobald Bill (Noah Emmerich), Ehemann jener Titel gebenden Jane (Natalie Portman), angeschossen auf der heimatlichen Farm ankommt und fortan nur im Bett liegen kann, während die berüchtigte Bishopbande ihm auf den Fersen ist und Jane nun Handschuhe und Colt bemühen muss, um Tochter und Eigenheim zu verteidigen.
Was nach einer flotten Einführung als Rollenumkehrung des gängigen Westernnarrativs klingt (obgleich „Johnny Guitar“ anno 1954 früher dran war), muss aber bald John Fords „Der schwarze Falke“ zitieren sowie Cinemascope-Einstellungen und Kranfahrten abarbeiten, die in über hundert Jahren Filmgeschichte offenbar noch nicht oft genug gesehen wurden. Nicht, dass O’Connor dabei ein genuines Gefühl für die Szenerie entwickeln würde – dafür rattert sein Schnitt so teilnahmslos hinweg wie der Score. Wer sich aber damit zufriedengeben kann, dass ein elektronisches Orchester Instrumente des Präriepathos emuliert und aufgesetzt emotionalisiert, den wird es sicherlich auch beruhigen, dass Jane ihren Ex Dan Frost (Joel Edgerton) um Hilfe bittet, damit wenigstens eine männliche Hand bei der Action mitmischen darf. Der Herr bringt zudem plakative Machoweisheiten des Wilden Westens mit sich, muss sich aber auch Schwächen im Hinblick auf seine Vergangenheit mit Jane eingestehen.
Der Film gibt auch immer rechtzeitig Hinweise, wenn er zurückblickt, schreibt mit Texttafeln Ort und Jahreszahl auf und rechnet uns praktischerweise vor, wie viele Jahre seither vergangen sind. Das gibt der erläuterten Chronologie der Ereignisse zwar ihre Bilder, wobei deren Inhalt über Voice-over nochmals etabliert wird, darüber hinaus gibt sich der Film lediglich romantisierten Kornfeldern und Heißluftballons hin, während die Handlung im Bett vegetiert. Im Grunde soll nämlich der Konflikt einer Dreierbeziehung zwischen Jane, Dan und Bill aufgebaut werden, bei dem vor allem Dan das Geschehene nicht hinter sich lassen kann und Distanz übt. Ihm wurde etwas weggenommen, wie auch Jane ihre erste Tochter und ihre Ehre durch die Bishopbande verloren hat, dank Bill von vorne anfangen konnte, aber ebenso weiterhin von den Schatten der Vergangenheit verfolgt wird. Nun heißt es gemeinsam die Zukunft sichern, das Verständnis zur Patchworkfamilie wecken und vor allem warten, bis etwas passiert. Zugegebenermaßen ist das mit knapp 97 Minuten Laufzeit noch kurzweilig und von O’Connor in einer Manier gestaltet, die einzelne effektive Spannungssequenzen in der Erwartung zum Horizont choreografieren kann, während der Sprengstoff im Boden vergraben wird und Krähen an die Scheiben klatschen.
Ohnehin gibt der Film Saures, sobald er seinen räudigen Schergen in die Kehlen schießt und der Ehre des Einzelnen mit Blei aus der Unterdrückung geholfen wird. Jane mag zwar schlecht mit einem Revolver umgehen können – aber mit einer Flinte trifft sie stets voll ins Schwarze. Feuer, Fleischwunden und fettige Bärte laden ebenso zur erwartungserfüllenden Unterhaltung ein, letztendlich sind sie aber nicht mehr als Zutaten für eine Filmerfahrung, die in Dialog, Charakterzeichnung und Inszenierung nicht über das Notwendige an Genrefutter hinausgeht. Schlimmer noch, sie entscheidet sich sogar dafür, die Aufregung daran zu sezieren, damit sich alle in der Runde noch einmal erklären können, warum sie damals so reagiert und wie sie sich dabei gefühlt haben, als wäre man in einer cineastisch ausgeleuchteten Talkshow gelandet. Auf das Fegefeuer der Empathie folgt aber dieselbe Mentalität etlicher Vorgänger, durch die sich der Film den Drang zur humanistischen Sehnsucht verdienen will. Doch er kommt zu spät und mit nur allzu wenig Ansporn an sein Ziel. Jane hat eine Kanone, aber die feuert nur Platzpatronen.
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