Die Bienen, bloß nicht die Bienen. Zuvor noch brach Nicolas Cage als Verkehrspolizist Edward Malus delirierend mit Bärentracht durch dicklich-wucherndes Unterholz in heidnisches Kultgebiet ein. Frauen in folkloristischen Gewändern irren um ihn, bis diese neuerliche Adaption des „Wicker Man“ (2006) Trivialität und Symptom koppelt und Cage einen Käfig überstülpt, in den alsbald eine Horde von Bienen fließt. Diese Bienen, ja, sie müssen auch etwas in Cage selbst, in seiner wunden Schauspielseele aufgekratzt, qualvoll zerstochen und zur Explosion bewogen haben. Wie sonst wäre sein entzückend-monochromes Engagement in David Gordon Greens „Joe“ nun Jahre später zu erklären, diesem Southern-Gothik-Coming-of-Age-Mark-Twain-Wodka aus trunkenster texanischer Seele und konditioniertem Charisma. Ein anderer Junge nimmt Nicolas Cage als Joe an die Hand: Tye Sheridan, der zuletzt Jeff Nichols’ „Mud“ aus trockener Attitüde in ein schwärmerisches Südstaatenmärchen münzte.

Wieder mimt Sheridan mit Gary ein Kind in Gewalt und ohne jede Zukunft, wieder tritt ein Mann in sein Leben, welcher nicht sein Vater ist, aber eher wie sein Vater scheint, wieder türmt der Film beinahe um ihn, selbst, wenn Nicolas Cage einen kläffenden Köter in unnachahmlich virtuoser Manie als Arschloch tituliert. David Gordon Green lässt komische Momente schweifen, sie platzen und selten schmelzen – zu eben jener Poesie des Nichols’schen Miserabilitätskomplexes, wo Baumwipfel zu schön für alle Aggression bleiben. „Joe“ aber raucht wie sein Protagonist Fluppe um Fluppe, er strömt vom Äußeren in eine suggestive Zwischenwelt des Planlosen, weil er kontinuierlich schrecklich wage und äußerst bedeutungslos bedeutungsschwanger seinen Irrweg findet. Über das Unheil erzählt Green lediglich in harten Reibereien, welche sich von der Findung seiner beiden Männer abspalten. Als Joe und Gary zunächst gemeinsam Bäume abholzen, erinnert das aber sogar an Greens noch so sanft unschuldigen „Prince Avalanche“ (2013) über zwei Bauarbeiter und ihre gemeinsame Sinnsuche, als sie einer Landstraße die nötige Mittellinie spendieren. Dafür ist „Joe“ zu dreckig, obwohl er ebenso schwelgen könnte.

Tye Sheridan gewann jedoch nicht umsonst und wenig zufällig in Venedig den Premio Marcello Mastroianni als bester Nachwuchsdarsteller. Er ist die Zukunft. Aber vielleicht heißt die Zukunft ebenso Nicolas Cage. Nochmals. Sofern er den Bienen den Rücken kehrt.

Meinungen

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