Stell dir vor, du siehst aus wie Keanu Reeves, hütest eine tolle Familie mit Frau, Kindern und Mops und besitzt oben drein ein schickes Eigenheim, das du als Architekt (und ehemaliger DJ!) selbst entworfen hast. Es folgt der Vatertag, du bist zum Arbeiten alleine zuhause geblieben – und auf einmal klingelt es an der Tür: zwei junge, hübsche, klitschnasse Damen, die nicht wissen, wie sie zu einer Party kommen und sich quasi selbst einladen. Du bist aber schließlich kein Unmensch, sondern hilfsbereit, was man daran sieht, dass eine Kugel Taschentücher am Eingang steht, falls jemand bei Ankunft niesen muss. Ehe du dich versiehst, führt das Warten auf den Uber-Fahrer zu einer Plauderei bis zum Thema sexuelle Freiheit und einem Kopfkino mit jenen Mädels, die in Bademänteln den Flirt anheizen. Die perfekte Kettenreaktion zum Seitensprung – eine mit dem Schwanz erdachte Männerfantasie, die vollzogen wird, obwohl Bilder familiärer Glückseligkeit an den Wänden hängen.

Das Szenario, das „Knock Knock“ entwirft, führt unseren Protagonisten allerdings in Konsequenzen extremen Ausmaßes, die sein gesamtes Leben in den Reißwolf treiben. Die Vorzeichen dazu liegen in Regisseur Eli Roth. Der Horrorexperte hinter „Cabin Fever“ und „Hostel“ versteht es, mit Kurzweil auf die Vorzeichen der Manipulation hinzuweisen, sobald die Invasoren ihre Reize in hormonell zu perfekte Absichten lenken. Dabei wirkt der Tathergang nicht gestellt, die Dialoge sogar natürlich. Es werden zwar Plattitüden aufgegriffen, diese sind in der filmischen Effizienz jedoch so leichtfüßig, wie sich Roths Gestaltung des Genreanspruchs ernst nimmt und die Geschichte es erfordert. Diese lässt er also wirken, ohne eine moralische Richtung zu forcieren. Reeves’ Evan ist zwar Opfer, aber auch eines seiner eigenen Verantwortung und Erwartungen. Genesis (Lorenza Izzo) und Bel (Ana de Armas) lehren dem Verführer eine feministische Lektion, jedoch eine psychopathischen Ausmaßes.

Der Diskurs ist ein überspitzter und wird von Roth mit exzessivem Genuss eingefangen, der die Frechheit (seiner Freude zum Genre) siegen lässt. Letztendlich ist er im Nihilismus verankert, der nur bedingt die Reflexion anregt; doch von einer strengen Lehre wird man dankenswerterweise verschont. Dafür sind die Figuren verstärkt Akteure eines spaßigen Thrills, also keiner ideologischen Vereinnahmung. Der Konflikt wird aberwitzig ausgespielt und von seinen Darstellern mit dem freien Wahnwitz unterzeichnet, den eine gesellschaftliche Groteske ausmacht. Am ehesten lässt sich das Ganze als beinahe blutbefreite (weiterhin brutale) Variante des Torture Porn bezeichnen – und das im positiven Sinne. Beide Seiten sind im Verhältnis zueinander schuldig, unschuldig, schön, hässlich, clever, dumm und für den eigenen Vorteil zum Äußersten bereit. Nur Ordnung und Anarchie trennen die Lager, und diese gegeneinander auszuspielen, ist ein Vergnügen, das in diesem geradlinigen Werk voller Selbstbewusstsein allen Ernst vergessen lässt und dem Zuschauer die spannende Frage überlässt, wie Evan sich noch retten kann. Für 99 bewusst grobschlächtige Minuten über die Wechselwirkung von Sex und Moral ist damit unterhaltungsfördernd gesorgt.

Meinungen

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