Kenji Misumis „Der Wind des Todes“ bildet den dritten Teil der sechsteiligen Serie „Lone Wolf & Cub“, welche auf dem gleichnamigen Manga von Kazuo Koike basiert. Im Rahmen der deutschsprachigen Erstveröffentlichung auf High Definition durch Rapid Eye Movies widmen wir dieser Reihe eine Retrospektive.

Regisseur Kenji Misumi drosselt nach seinem furiosen Zweitwerk der Lone-Wolf-&-Cub-Reihe wieder das Tempo. Schließlich war in „Am Totenfluss“ erst mal genug (und reichlich) Blut geflossen und nun gilt es erneut, die Härte des Alltags zu durchwandern, die Itto Ogami als herrenloser Samurai und sein Sohn Daigoro auf ihren ziellosen Reisen zu bewältigen hat. Ihre Beobachtung unterwegs offenbart inmitten meist unbewohnter Wälder, Seen und Gebirge trotz natürlicher Offenheit eine omnipräsente Unterdrückung der Schwächeren. Das männliche Geschlecht verfügt haltlos über die Sexualität der Frau, beutet sie aus und vergewaltigt, bis hin zum Tod im verzweifelten Widerstand. Menschlichkeit kriecht hier am Bodenfass entlang, hat seine innere Bestimmung der Gerechtigkeit verloren und sucht diese im restlosen Ausmerzen. Drum entsagt Ogami in diesem Teil hauptsächlich der verlangten Gewalt, verschont und verstärkt seinen Sinn für den Schutz der Unschuldigen und Verschmähten. Regisseur Misumi schreckt bei deren Leiden nicht vor drastischen Bildern missbrauchter Haut zurück, doch hält er den Terror der Unterwerfung wie von ihm gewohnt auf die entscheidenden Momente beschränkt. Er ist nun mal kein Sleaze-Advokat wie zum Beispiel Kollege Teruo Ishii mit seinen Tokugawa-Reißern, sondern er ermöglicht den Frauen hier eine ebenso blutige Flucht und bewegt zudem die Selbstlosigkeit Ogamis, sich stellvertretend für sie foltern zu lassen.

Für letzteres sorgen die Bohachimon, eine Art von Yakuza, die jedem Gewissen abgeschworen hat und somit das nihilistische Pendant zu Ogamis hilfsbereiter Einzelgänger-Methodik darstellt – hier wiederum angeführt von einer Frau, Koshio Torizo (Yûko Hama). Ihre Ideale finden scheinbar einen gemeinsamen Nenner in der Rache; doch bei ineinander verschwimmenden Zweigen der verblassten Vergangenheit will er nicht als Mittler des Todes behilflich sein, da beide Seiten um seine Dienste bitten. Aus seiner Ablehnung heraus wächst erneut die Gefahr an seiner Person. Doch bei jener Gewissheit des Angriffs findet er dennoch stets Momente der Ruhe, wie einst in der Stille des Regens zwischen Grashüpfern, Fröschen und Schnecken. Aber Regisseur Misumi stapelt im Angesicht dessen neue Aspekte des Genres aufeinander: der Rauch sich aufeinander türmender Ninjas, die Pistolen langhaariger Ganoven und schlussendlich ein Trupp von hundert Kriegern. Ogamis rabiate Anpassung daran erinnert nicht von ungefähr an die mächtigen Konfrontationen des Italowesterns; bezeichnenderweise wurde der Film hierzulande bei seiner Erstaufführung auch als „Japango“ vermarktet. In der Rückkehr des Ziellosen zeigt sich aber wieder ein Leiden jenseits des Genre-Thrills, hinein in jene existenzialistische Ungewissheit, die permanent vom Wind des Todes geschüttelt wird. Ogami aber ist sich der Wahrheit gewiss: Denn er ist der Wind und kann auch vergeben, da er sich auch nicht selber aufhalten kann.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Lone Wolf & Cub – Der Wind des Todes“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.