Basierend auf der erfolgreichen Manga-Reihe „Kozure ôkami“ von Kazuo Koike, entstanden zwischen 1972 und 1974 ganze sechs Verfilmungen über die Abenteuer des Ronin Itto Ogami (Tomisaburô Wakayama). Dieser wird nach einem heimtückischen Verrat von allen Seiten der Korruption beschuldigt, schwört jedoch den Machthabern des Tokugawa-Shogunats ab und reist fortan als Einzelgänger, sprich einsamer Wolf, durch das alte Japan. Mit dabei auf den sogenannten sechs Irrwegen der Hölle ist sein kleiner Sohn Daigoro (Akihiro Tomikawa), der in einem mit reichlich tödlichen Utensilien gespickten Karren herumkutschiert wird, aber als Kleinkind nur eines wirklich zu verstehen hat: Sein Vater und er haben sich für ein Leben jenseits des Gesetzes entschieden, enthoben von aller gesellschaftlichen Ehre. Doch der Gedanke des Gerechten, erst recht ihren unschuldigen Mitmenschen gegenüber, bleibt ihnen erhalten. Nun arbeiten sie nämlich auf eigenständiger Basis – „Verleihe Schwertkraft und Kind“ bietet Ogami für jeweils 500 Ryo an; mehr als das bloße Überleben hat er damit nicht im Sinn. Niemandem mehr Rechenschaft schuldig, ruft er aber immer wieder genügend Widersacher hervor, der er sich in stiller Souveränität entledigt.

Der wahre Weg des Kriegers ist, im Angesicht des Todes zu leben.

Itto Ogami

Seine Existenz hat sich nämlich vom irdischen Trubel abgegrenzt und macht aus der Falschheit der Verhältnisse keinen Hehl, behandelt diese aber als kampferprobter Eremit mit einer Waage der Ignoranz und Schlagkräftigkeit. Blut schießt da in rauen Mengen in jener sechsteiligen Filmserie des Chambara(=Schwertkampf)-Genres. Doch der allgemeine Stil von „Lone Wolf & Cub“ verbindet jene exploitativen Genüsse der siebziger Jahre geschickt mit dem atmosphärischen Respekt des traditionellen Samurai-Films und behandelt diesen als gegebenen Anteil des dargestellten Zeitalters. Brutalität ist hier nämlich wie seit jeher auch Politik, obwohl der Charakter Ogamis über Letzterem steht und seinen Weg einer oftmals fatalen Objektivität geht. Die Filme nehmen eben seine Sicht ein und vermitteln die Natur des Historischen mit nüchterner Elegie, bleiben aber mit meist nicht mal neunzig Minuten Laufzeit stets packend, bedacht und konsequent. Eine Mischung, die eine ganz besondere Welt der filmischen Erfahrung auferstehen lässt und nun dank Rapid Eye Movies in Deutschland erstmals in High Definition zu bewundern ist. Wir wollen uns deshalb allen Filmen der Reihe widmen und hoffen, dass viele neue Zuschauer so einen Eindruck vom aufregenden Weg an der Seite Itto Ogamis finden.

Überblick

Das Schwert der Rache (1972, Ausführliche Kritik)

Der Erstling der Lone-Wolf-&-Cub-Reihe funktioniert halbwegs als Etablierung des Charakters Itto Ogamis (Tomisaburô Wakayama), beziehungsweise wie der Verrat an jenem Ronin stattfand und warum er fortan mit seinem Sohn Daigoro den Pfad der Hölle beschreitet. Jene endlose Straße durch das feudale Nippon beherbergt eine stets lauernde Sucht nach Macht, die sich mit Mord und Männlichkeit zu beweisen bemüht und trotz aller Härte unbeholfen grob vorgeht. Regisseur Kenji Misumi illustriert in seiner stilistischen Grundierung allerdings eine Ruhe, welche der Abgeklärtheit seines Hauptdarstellers eindringlich gerecht wird. Deshalb konzentrieren sich die Rückblicke hierin auf das Wesentliche, sprich einer kohärenten Vermittlung von Zeit und Raum – methodisch, aber genau am wunden Punkt treffend.

Am Totenfluss (1972, Ausführliche Kritik)

Wieder ist es hier Regisseur Kenji Misumi, der unserem Kozure Okami (zu deutsch eben: einsamen Wolf) auf seiner bewusst ziellosen Reise nun zahlreiche Gefahren am laufenden Band auflauern lässt. Schon zu Beginn fetzen die Strohhüte entzwei, während sich die Köpfe spalten. Alsbald nähert sich das Unsichtbare, die verfeindete Macht der Yagyu-Familie, im Gras und auch in der Dunkelheit, auf dass nicht mal das Dampfbad in der Stadt Ruhe verspricht. Und so kommen sie dann in variierter Stückzahl, die Assassinen und Ninjas, ob bei Schnee, unter Wasser oder in den Dünen: Sie versuchen ihr Glück mit rauschenden Farben, weiblicher Unschuld und sogar Rüben. Doch alle scheiden sie so blutrünstig-virtuos dahin, wie sie es an Ogami vorhatten; da hilft nur die Entführung von Daigoro – doch selbst der setzt jetzt verstärkt die Fähigkeiten des Wagens und des lehrreichen Vagabunden-Daseins ein.

Der Wind des Todes (1972, Ausführliche Kritik)

Das männliche Geschlecht verfügt haltlos über die Sexualität der Frau, beutet sie aus und vergewaltigt, bis hin zum Tod im verzweifelten Widerstand. Menschlichkeit kriecht hier am Bodenfass entlang, hat seine innere Bestimmung der Gerechtigkeit verloren und sucht diese im restlosen Ausmerzen. Drum entsagt Ogami in diesem Teil hauptsächlich der verlangten Gewalt, verschont und verstärkt seinen Sinn für den Schutz der Unschuldigen und Verschmähten. Regisseur Misumi schreckt bei deren Leiden nicht vor drastischen Bildern missbrauchter Haut zurück, doch hält er den Terror der Unterwerfung wie von ihm gewohnt auf die entscheidenden Momente beschränkt.

Die tätowierte Killerin (1972, Ausführliche Kritik)

Jene Dame vom Titel, Oyuki (Michi Azuma), stellt dabei eine interessante Parallele zu Itto Ogami, unserem wandernden Protagonisten, dar. Wie er nämlich seinen Sohn Daigoro bei der tödlichen Tour durch Japan im Karren herumfährt, so trägt sie ihr Kind als Tätowierung auf der Brust. Ihre nackte Haut dient als ablenkendes Mittel zum Mord, wie auch Daigoro per Knopfdruck Klingen und Kanonen aus seiner Kutsche zur Verstümmelung hervorzaubern kann. Doch wie der Filius des einsamen Wolfes anfangs schon seinen Vater kurzzeitig aus den Augen verliert, um sich urplötzlich mitten im Feuer wiederzufinden, dabei jedoch keine Furcht zeigt und auf eigene Faust überlebt, ist Oyuki ebenso das bewusst auf sich allein gestellte Kind ihres sorgenden Vaters.

Der weiße Pfad der Hölle (1973, Ausführliche Kritik)

Oft gleiten in diesem Film Körper bewusst unter Wasser ab, um in dessen Stille auszubluten. An Land sprießt jenes Blut dann auch ungeniert wie aus Geysiren – selbst der Tod besitzt ein Eigenleben. Dieses Einverständnis halten natürlich nicht alle Charaktere in diesem Film, gütige wie auch böswillige streben nach Idealen einer meist vergänglichen Macht. Sie sind Feuer und Wasser. Das gehört natürlich auch zur Natur des Menschen und geht nicht ohne – die Balance dazwischen muss auch nicht wirklich schön sein und ist ja hier nicht umsonst in der Hölle vertreten. Bloß die wenigsten vertragen die Hitze mit entsprechender Würde.

Blutiger Schnee (1974, Ausführliche Kritik)

Die Luft brennt, bei Nebel und im Moor, sobald die Klingen blitzen. Die mystische Macht hält sich aber dennoch am Prinzip des klassischen Duells und kocht auch nur mit Wasser, wenn es ums ehrenvolle Sterben geht. Zum letzten Showdown jedoch ziehen sich die Armeen auf Skiern warm an, ehe sie halbiert und von Kugeln durchsiebt werden. Der weiße Pfad im brenzligen Schnee ist nun mal für Ogami und Sohn prädestiniert – und da fließt die Energie so bedacht wie eine sanfte Schneeflocke in der Nacht; deckt den Grund jedoch mit entschiedener Konzentration vollends ein. Denn auch hier macht das Spielen im Schnee überaus Spaß, selbst wenn die Erdrückung der Hölle zu spüren bleibt.

Umsetzung für das Heimkino

Es ist nicht das erste Mal, das Ogami und Sohn ihren Weg zu den hiesigen Fans schafften. 2005 erschienen alle sechs Teile ebenso von Rapid Eye Movies im Rahmen ihrer Nippon-Classics-Edition in einer dicken DVD-Box mit Slipcase-Schuber; klassisch und minimalistisch im Design, ausstattungstechnisch aber ein wahrer Augenschmaus. Für jeden einzelnen Film gab es das japanische Original-Kinoplakat als Covermotiv aufgedruckt, zusätzlich wurden sieben Postkarten mit Setfoto-Motiven sowie ein doppelseitig bedrucktes Poster in A3 mitgeliefert. Auf diesem war einerseits das Plakat zu „Das Schwert der Rache“ abgedruckt, andererseits mehrere Infos über die Filme, den zugrunde liegenden Manga, die Samurai und Regisseur Kenji Misumi. Da sich Rapid Eye Movies inzwischen auch jenseits des Nischenmarktes für Kino und Video weiter etabliert hat, ist es eine Freude, dass sie sich dieser Reihe nun erneut mit einer Umsetzung auf Blu-ray gewidmet haben. Inzwischen haben sich jedoch ihre Ansprüche geändert, nicht bloß Sammlern mit kostspieligeren, kleineren Auflagen entgegen zu kommen. So muss man bei der neuen Edition auf jene oben genannten Goodies verzichten, auch weil man sich sinnvoll dazu entschlossen hat, je zwei Filme auf eine Scheibe zu pressen, was bei der kurzen Laufzeit der jeweiligen Filme keinen Qualitätsverlust darstellt.

Mit der etwas schlichteren, doch ebenso prägnanten Aufmachung und dem recht günstigen Preis will man eine neue Zielgruppe erschließen; das wünscht man den Filmen ja ohnehin. Zudem erhält man als alteingesessener Enthusiast des einsamen Wolfes auch noch alle Kinotrailer zu jedem Film in High Definition (auf jeder Scheibe) sowie ein durchwegs informatives Booklet von Tom Mes, in welchem dieser die damaligen Umstände der japanischen Filmindustrie beleuchtet und zudem neben biografischen Erläuterungen interpretative Beobachtungen zur Serie äußert. Am wichtigsten jedoch wiegt für alle die Frage: Wie schaut es hierfür in Sachen Qualität auf dem modernen Medium aus? Alle Filme liegen wie gehabt in ungekürzter Form vor, der Ton ist den altersbedingten Umständen entsprechend stets etwas bleiern und rauschhaft, aber weiterhin voluminös und kräftig zischend, um genüsslich Ruhe und Sturm der Kraft Ogamis sowie seiner Widersacher in die Hörgänge flitzen zu lassen. Bei der Bildqualität muss man jedoch variierende Grade der altehrwürdigen Zelluloid-Macht erwarten. Natürlich hat man bei jenen damaligen Produktionsbedingungen damit zu rechnen, dass die Optik nicht komplett mit gegenwärtigen Standards mithalten kann, größtenteils schlägt sie sich dennoch gut als klassischer 35mm-Schatz des asiatischen Kinos der siebziger Jahre durch. Heißt: reichlich Filmkorn, doch angenehm geringe Spratzer, Drop-outs oder ähnliche Störfaktoren.

Wenn man aber mal von der offensichtlich nicht immer höchstbeschaffenen Kameratechnik (insbesondere „Die tätowierte Killerin“ macht sich mit billigerem, sichtlich verzogenem Filmmaterial bemerkbar) und der natürlich begrenzten Erhältlichkeit jener Streifen absieht, ist dennoch nicht jeder Film mit einem optimalen HD-Transfer beglückt worden. Am stärksten fällt ausgerechnet Teil eins aus der Reihe, welcher offenbar anhand der ersten Blu-ray-Auswertung durch das US-Label AnimEigo sein Master erhielt, wobei dieses schon im Vorhinein von einem äußerst starken Rauschfilter heimgesucht wurde. Zur Schadensbegrenzung hat man sich daraufhin wohl entschlossen, einen digitalen Grain darüber zu legen. Doch obwohl Farben und Kontraste weithin stimmig bleiben, fusselt der Film unter dem artifiziellen 35mm-Schleier besonders arg in der Schärfe, während Details wie durch einen Pinsel verschmiert scheinen. Bei den anderen Teilen kann man ähnliche Verfahrensweisen vermuten, fällt dort jedenfalls nicht so stark auf wie eben bei Teil eins.

In allen Fällen stellt die visuelle Verjüngung, jetzt auch ohne geisterhafte Norm-Konvertierung, dennoch ein wahrhaftig willkommenes und äußerst zufriedenstellendes Upgrade dar, das besonders bei den Teilen zwei, fünf und sechs zu beglückender Höchstform aufläuft. Aber wenn man sich als altes Sammlerherz noch was für die Zukunft wünschen dürfte, dann eine rechtmäßige Veröffentlichung des US-Zusammenschnittes von Teil eins und zwei, „Shogun Assassin“, der hierzulande unter dem Titel „Der Henker des Shogun“ erschien. Und wenn man schon dabei ist, wären die zeitgenössischen Synchronisationen von Teil zwei und drei, respektive als „Der unbesiegbare Samurai“ und „Japango“ in deutschen Kinos aufgeführt, aufregendes Potenzial für Komplettisten gewesen.

Man sieht: Auf der Suche nach dem geliebten Film wandelt man auch immer ein Stück zwischen Feuer und Wasser auf dem weißen Pfad der Hölle entlang. Zwischendurch findet man aber dennoch das Glück, auch wenn es nicht zu hundert Prozent perfekt ist. Denn niemand ist ohne Schwäche, auch nicht der herrenlose Ronin mit dem kleinen Kind – und da sind sie auch heilfroh, wenn sie aus zuvorkommender Film-Leidenschaft aufgegriffen werden und ein neues Heim im Herzen finden. Rapid Eye Movies ist ihnen da treu geblieben und stellt sie nun in 1080p erneut der sicherlich sehr interessierten Heimkino-Käuferschaft auf der Suche nach blutigem Ernst und cineastischer Schönheiten aus Fernost vor. Unbedingte Kaufempfehlung für Freunde des klassischen, doch besonderen Leinwandschlitzens.

Meinungen

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