Die Realität ist nur ein Konstrukt, welches dazu verleitet, eine äußere und eine innere Perspektive zu formulieren: eine Wahrheit und eine Lüge. In Mike Flanagans „Oculus“ existiert zudem (wenig überraschend mumifiziert trickversiert) der Blick aus dem paranormalen Inneren heraus, einem vielleicht oder sogar offensichtlich närrischen Spiegel aus dem 18. Jahrhundert mit elliptischen Ornamenten im schwarzen, magisch-versponnenen Rand. Zunächst macht sich eine Familie an diesem zu schaffen, etliche Jahre später nochmals deren Kinder Tim (Brenton Thwaites) und Kaylie Russell (Karen Gillan). Eine Erklärung für die ehrgeizige Todesdivise der Antiquität folgt nie. Das Spiel mit dem eigenen und zugleich einem dazu geschalteten technischen Wahrnehmungsapparat (die beiden Gewister platzieren in einem Zimmer unzählige Kameras, damit diese, natürlich alle mit eigener Stromversorgung, die Geschehnisse aufnehmen) fungiert dabei als Antrieb, jedoch nie als Abrieb genrespezifischer Nuancen ohne obligatorische Jump Scares und den eigentlich unsichtbaren Feind unter der Decke. Dagegen spult Flanagan fortwährend immer ambitionierter und teilweise höchst elegant (wie auch höher budgetiert als sein Vorgänger „Absentia“) die Wurzeln in Vergangenheit und Gegenwart zusammen, um sie schließlich gen Finale zu kappen und „Oculus“ im Zwang des Prequel- und Sequel-erstickten Markts zu etablieren.
Wesentlich effektiver adaptierte er die kühl flimmernde Halluzinationskiste allerdings noch in seinem eigens roh verschwurbelten Kurzfilm „Oculus: Chapter 3 – The Man with the Plan“ aus dem Jahr 2006, wobei dieser das perforierte Grauen bereits schon nur von Stephen Kings Kurzgeschichte „Das Bildnis des Sensenmanns“ (1969) intelligent abpauste. Eigentlich genügt seiner Ausführung in Spielfilmlänge aber beinahe genau eine sensationell betörende Szene: Da meint Kaylie ganz à la dem Grimm’schen „Schneewitchen“ in einen rosig-roten Apfel zu beißen – nur verspeist sie in der rückgekoppelten paranormalen Wirklichkeit stattdessen eine Glühbirne. Und diese bleibt ihr entsprechend zersplittert im Zahnfleisch stecken. Für all jene, die ohnehin immer Angst vor Zahnärzten oder im Traum ausfallenden Zähnen verspürten, jagt Flanagan allein damit wohltätig platzierten Schrecken mit Methodik ein. Anderweitig lüsterne Blutmomente fehlen später dafür gänzlich, was selbst für einen klassisch in Psychologien wattierten Horrorfilm definitiv zu wenig ist. Aber besser einmal als keinmal.
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