Weiter geht die Farce: Nach der furios-blöden ersten Staffel der Zombie-Serie „The Walking Dead“ lässt sich ein qualitativer Sprung erkennen – zwar noch immer schlechter als schlecht, aber immerhin nur noch so schlecht, dass die Qualität der Serie für onanierende 12-Jährige ausreicht, die der Blut- und Zombiegehalt zur erquickenden Ejakulation bringt. Nachdem Frank Darabont als Showrunner gefeuert wurde, der die bis dato beste Folge – die Pilotfolge – als Regisseur begleitet hatte, war in der eigentlichen Skepsis an der zweiten Staffel ein zum weiteren Scheitern verurteiltes Missgeschick der Fernsehlandschaft zu erwarten. Selbstverständlich trat auch hier die Prognose ein, dass weder „The Walking Dead“ als TV-Phänomen noch als kulturelles Begleitstück der Fernsehgeschichte seine Berechtigung hat. Die post-apokalyptische Welt der ersten Staffel ist einem rudimentären Bauernhof gewichen und verliert damit nicht nur seine untote Angst, sondern auch seine Möglichkeit der geschichtlichen Erweiterung: Die menschlichen Probleme stagnieren auf der Konfrontation der beiden Alphatiere Rick (Andrew Lincoln) und Shane (Jon Bernthal), während ein Mitglied des Rudels abhandenkommt und die Aufgabe der Gruppe – unter Rick – es ist, eben jenes Mitglied wiederzufinden. Der Weg verschlägt sie nach einem unglücklichen Zufall auf die Farm von Hershel (Scott Wilson), einem alten Arzt, der mit seiner Familie zurückgezogen in einem eigenen Gefängnis lebt.

Vergessen sind die Vorbilder der Zombie-Geschichte, unwichtig irgendwelche narrativen Mittel. Das Einzige, was zählt, ist der – wie schon zuvor – bedingungslose Revierkampf zweier idiotischer Männer. Die Situation hat sich aber insofern verändert, dass der unterdrückte Shane nun aus seiner Hülle bricht und zum Bad Boy mutiert: Haare ab, ernsthafte Auseinandersetzungen mit Rick und die Positionierung in der Gruppe als helfende Hand angreifend, definiert sich Shane als Ausgestoßener. Erste Anzeichen ergab bereits das in der ersten Staffel als charakterliche Weiterentwicklung interpretierte Saufgelage aller Personen, welches zum zentralen Höhepunkt der Serie wurde: Shane versuchte Lori (Sarah Wayne Calliees) an die Wäsche zu gehen und wurde so von der ruhigen Hintergrundperson zum zweifelhaften Rowdy. Es ist schon eigenartig, welche Wege „The Walking Dead“ geht, denn weder die bisherigen kausalen Zusammenhänge noch die intendierte Problematik wird aufgelöst oder gar sinnhaft weitergeführt. Stattdessen entscheidet man sich, die Geschichte weiter stagnieren zu lassen und an einem Punkt zu verwurzeln. Dass die Serie sich selbst kategorisch durch eine Videospiel-Handlung zu erklären versucht, bleibt dabei das kleinste Übel. Um die Probleme der Gruppe zu lösen, werden einzelne Mitglieder abseits der Hauptgruppe abkommandiert und müssen Aufträge erledigen. Das hat beinahe etwas Ironisches, betrachtet man die Tatsache, dass aus den Comics neben der Serie auch eine Videospiel-Reihe ausgeschlachtet wird.

Lichtblicke besitzt die zweite Staffel aber dennoch: Besonders die siebte Folge „Tot oder Lebendig“ besitzt interessante Ansätze. Die Situation hat sich auf der Farm nach und nach zugespitzt, die Gruppe um Rick und Shane gerät vermehrt in Konfrontationen mit der ansässigen Familie. Die Gruppe der Überlebenden wäre nicht sie selbst, würde sie sich nicht ungerechtfertigt aufspielen. Deswegen mischt sich Shane besonders gern in die Angelegenheiten der Anderen ein und bringt damit den persönlichen Höhepunkt der Serie. Als die Konfrontation mit den Untoten zur scheinbar nebensächlichen Auseinandersetzung karikiert wird, schleudert Regisseurin Michelle MacLaren den Zuschauer in die eigentliche Ausgangslage zurück: Die Zombies sind noch immer da und eigentlich auch jetzt das primäre Problem der Überlebenden. Dass dies in „The Walking Dead“ gerne vergessen wird, ist schon seit der ersten Staffel bekannt und doch gelingt der narrativ-ungelenke Sprung erstaunlich gut und fügt das Bild der katastrophalen Serie für einen kurzen Moment in eine adäquate Form zusammen.

In keiner der vorherigen Episoden, nicht einmal, als die vollkommene Katastrophe über die Gruppe hereinbricht, erscheint die Gefahr, die Angst, das Problem und die Zerstörung präsent zu sein, wie es in dieser Folge der Fall ist. Die Situation baute sich langsam auf, fast gemächlich. In Nebenhandlungen war vermehrt die Frage nach richtig und falsch und vor allem die Frage nach Autorität gestellt worden. Obwohl Rick stets als Anführer positioniert wird, ist es Shane, der hier den Anstoß gibt und die Situation zum Eskalieren bringt.
Die sonst als Kindereien klassifizierten Auseinandersetzungen zwischen Shane und Rick erhalten hier einen ernsthaften und vor allem erwachsenen Anstrich, der offenbart, welch verschenktes Potential in der Serie steckt. Selbst unter der fehlgeleiteten Ausgangssituation, dass hier stets der Hahnenkampf zweier Individuen im Fokus steht, offenbaren sich Möglichkeiten der Selbstreflexion und des Verständnisses der menschlichen Psychologie: Die Fiktion der Autorität ist kein Wunsch des Einzelnen, sondern ein notwendiges Übel der Gesellschaft. Und wenn Rick im allerletzten Moment, während jeder Einzelne am Ende seiner Möglichkeiten steht, nach vorne schreitet und für die Gruppe die einzige richtige, wenn auch zerstörende, Entscheidung trifft, ist die Frage nach dem Anführer redundant.

Genauso schnell, wie sich ein interessantes Konstrukt menschlicher Eindrücke offenbart hat, zerfällt es unter der Last des stupiden Erzählens und der Komplikation der darauf folgenden Satisfaktion der einen Seite und der Resolution der anderen. Während sich die Farmbewohner in der Endlosschleife ihres Verlustes suhlen, unfähig nach vorne zu blicken und zu verstehen, zerreißt die Möglichkeit der Katastrophe, sich auszubauen. Das größte Übel sind aber wieder einmal Rick und Shane, die ihren absoluten Höhepunkt der Serie bald darauf finden und sich in der denkbar einfachsten Lösung davon winden, um sich der Problematik zu entledigen. Fadenscheinig entwickelt sich die Erklärung der Infektion zum Walker – denn Feind und Freund erkranken neuartig und auf eine Weise, die für die Gruppe bisher nicht aufgetreten ist. Aus dieser Situation heraus wachsen aus falscher Konsequenz die Charaktere in eigenartige Richtungen. Empfindungen und Taten erscheinen unverhältnismäßig wirr und im Kontext der bisherigen Charakterentwicklung einiger Individuen vollkommen sekundär.

„The Walking Dead“ ist, wie zuvor auch und wird es auch weiterhin bleiben, eine sinnfreie Dekonstruktion des Genres und eine damit fehlgeleitete Annahme Kontraste und eigene Wege zu setzen. Die falsche Entscheidung die Kulisse auf einen festen Punkt zu lokalisieren, reißt der Serie das Bein aus: Weder die Möglichkeiten der globalen Katastrophe noch die Syntax des Individuums wird begriffen und verläuft sich in leeren Phrasen der allgemeingültigen Nichtigkeiten.

Meinungen

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