„Open Your Eyes“, ein Hitchcock’scher Schwindel; „Tesis“, eine Behauptung mit Riss. Jetzt „Regression“, eine saure, doppelbödige Hatz in Minnesota, bei der Satan gutmütig zusieht. Alejandro Amenábar nimmt sich seiner Wurzeln wieder an, nachdem er sie vor sechs Jahren mit „Agora“ beliebig, aber klug im antiken Alexandria als Historienschafott ausstaffierte. Seine Rückkehr erzählt vom Spuk, den sich die Menschen selbst zufügen, wenn das Okkulte hinter vorgehaltener Hand bleibt und nicht die Katze ihre Mäuse jagt – sondern umgekehrt. So eine vermeintliche Maus ist Angela Gray (Emma Watson); so eine vermeintliche Katze ist Bruce Kenner (Ethan Hawke). Die Maus beschuldigt ihren Vater des sexuellen Missbrauchs, die Katze wähnt sich als trotziger Polizist und Beschützer der Unschuld. Vor allem wähnt die Katze sich, eine kolossale Entdeckung zu machen. Ein Kult, der den Teufel anbetet, schändet, mordet, sei unter ihnen. Das umgedrehte Kreuz wird zum Mahnmal und zur epileptischen Lüge, die Daniel Aranyó in stille, dichte Bilder übersetzt, denen die Mystifizierung Roger Deakins’ fehlt. Aus der Kleinstadt lugt ein Sarg, auf den Amenábar Nägel schlägt – wie er es in „The Others“ mit einem Landhaus tat, nur geheimnisvoller.

Aber das Rätsel grabbelt zu früh aus „Regression“, um sein biestiges Antlitz vollends zeigen zu können. Die Manipulation über eine strittige Therapie, inmitten einer Diktatur der Jasager, Hyänen und Fernsehphilosophen, wiegelt ihren Horror über die Repetition des Bekannten ab, ohne klassische Inszenierungseckpfeiler auszulassen. Dabei sträubt sich Amenábar erneut, aus der narrativen Konstruktion seiner Geschichte zu brechen – und raubt ihr die Fantasie, das Brennen, den Zeitgeist universeller Paranoia. Alles in diesem Film ist vermeintlich, sogar bis zur Anerkennung des Zweifelhaften. Dass die Prämisse interessante Züge trägt, die nicht nur in den porträtierten neunziger Jahren für Zündstoff sorgten, sondern in abgewandelter Form bis heute, negiert Amenábar unbedacht mit einleitenden und schließenden Texttafeln. Doch die Wahrheit, welche uns auf diese Weise vermittelt werden soll, wird zur Ausflucht, der wir weniger trauen können als einer offensichtlichen Irreführung. „Regression“ mangelt es nicht nur an einer These – es mangelt ihm an einem Augenöffner. Und an einer strengen Diffusität, die mehr ist als ein Handwerkzeug für Bildgestalter.

Meinungen

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