Benjamin (nach „Oh Boy“ aufs Neue der einsiedlerische Sonderling: Tom Schilling) ist allein, lebt am Rand, verharrt im Stockdusteren aus, wartend und sondierend. Na klar. Der Welt überdrüssig und überflüssig, hat er eine gefunden, in der Gleichschaltung und Anonymität Identitäten entfremden, wo es nicht auf Formen ankommt, sondern auf Codes, nicht auf vage Verhältnismäßigkeit, sondern auf kalkulierte Logik. Baran bo Odars fescher Cyber-Genrefilm „Who Am I“ romantisiert Benjamins Zugehörigkeitsgefühl zu einer revoltierenden antikapitalistischen Clique (Arschlochchef vom Dienst: Elyas M’Barek), die, Bubenstreich um Bubenstreich begehend, im Hacken, im Lenken, im Manipulieren der Sicherheitslücke Mensch Zauberei sehen – wie vier Zuckerwürfel, von denen nach einer lapidaren Bewegung bloß einer auf der offenen Handfläche übrig bleibt. „Who Am I“, der souverän jegliche Dramatisierung abfertigende Rise-Fall-Rise-Bericht eines naiven Narren aus dem Off, ließe sich bestenfalls als teutonisches, erzwungen amerikanisiertes Flachpfeifen-Proletenkino einer stereotypen Männergemeinschaft verorten, schludrig zusammengestückelt, schal, reaktionär und imitierend, einschließlich einer Nachmittagsprogramm-Haltung: Je Ohren zerreißender die Erregung, desto frei verkäuflicher die Bildungslücke.
So wie Benjamin „Fight Club“ verehrt – in seinem Zimmer knurrt uns Tyler Durden entgegen –, so bewundert Baran bo Odar diesen angeblichen Revoluzzer-Aufschrei, wenn eine von sich eingenommene, zerstreute Montage surreal das (Dark-)Web (mit „Donnie-Darko“-Hasen) überspringt, um die Empfindungen einer angeknacksten Psychose zu umspielen, die von Hackermission zu Hackermission, von Anarchie zu Anarchie hechtet (lustig: ein verunglimpfender Hitler-Werbespot auf einer Wahlversammlung der „NBD“). Zum Ende hin verirrt sich „Who Am I“ aber beträchtlich: Der Twistorama-Überfluss quer durch multiple Persönlichkeiten, verblüffende Drehbuchzufälle und einer erst elegant-spröden, später verweichlicht-weinerlichen Superpolizeitussi („Hack’ mal das Zeugenschutzprogramm!“) vermag das Vorbild nicht zu kopieren, als auf seine Subversion hereinzufallen. Wo sich „Fight Club“ mit dem hineingeschnittenen Penis Tyler Durdens als inszenierte Selbstindoktrination bloß legt und die Durchbrechung medialer Oberfläche universell lehrt, darf Baran bo Odars kleine, schamlose (und davongekommene!) Außenseiterbande eine Seereise antreten, während Benjamin kurz vorher beim Friseur war und sich eine silbrige Frisur färben ließ. Odar wird garantiert nicht mehr zum Godard.
Meinungen
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Bisherige Meinungen
Der klingt echt schrecklich witzig – muss ich bei Gelegenheit mal abchecken, diesen Neuer-Deutscher-Genrefilm-Schund Nr. XXXXX ^^