Zurück in die achtziger Jahre, hinein in ein Meer an Neonlichtern, umringt von Häfen und Bars, in denen man fern jeder Ironie das Saxofon erklingen lassen kann, wenn man der Ungewissheit der Zukunft entgegen schaut. Mit solchen Rahmenbedingungen macht sich Regisseurin Kerstin Ahlrichs an die Verfilmung des Romans „Taxi“, dessen Autorin Karen Duve auch das Drehbuch beisteuert. Dieses weibliche Team ist dann auch entschieden an der Protagonistin, Taxifahrerin Alex (Rosalie Thomass), interessiert. So gewöhnlich ihr Schicksal im gesellschaftlichen Milieu verordnet ist, so reizvoll tritt sie als Mensch in Erscheinung. Obwohl ihr die Unnahbarkeit ins Gesicht geschrieben steht und gerade der Beruf eine Freiheit verspricht, bei der sie die sie kennengelernten Menschen und Gefühle im Nachhinein immer abladen kann, streckt die Sehnsucht ihre Fühler aus – hauptsächlich in die Herzen zweier Männer, Kollege Dietrich (Stipe Erceg) und Barkeeper Marc (Peter Dinklage). Dabei ist sie allerdings auf ihren eigenen Weg ausgerichtet und nur zweckmäßig in einer Art Beziehung unterwegs, ehe sie die Unfähigkeit ihrerseits wieder als Anlass nimmt, Distanz zu wahren.

Alex wirkt entsprechend rotzig und kalt, speziell dem spießigen Elternhaus gegenüber. Dass sie mit ihrer Umwelt hadert, sieht man ihr durchweg an – da braucht es nicht einmal den überflüssigen Voice Over ihrerseits, welcher eher dem zugrunde liegenden Roman entnommen scheint, womöglich aber auch die Persönlichkeit repräsentiert, die Alex gegenüber allen zurückhält. Als Zuschauer muss man daher erst eine Weile warm werden mit jenem teils plakativen Ensemble, das sich um sie versammelt. Die Kollegen Rüdiger (Robert Stadlober), Udo 377 (Tobias Schenke) und Taximörder (Antoine Monot Jr.) beurteilen sie mit teils hämischen Zynismus ausnahmslos oberflächlich oder falsch, während Chef Mergolan (Özgür Karadeniz) auf Härte setzt, obwohl er stets am Rand der Existenz schrammt. So empfiehlt er auch bei Unfällen, die Dienstwagen komplett zu schrotten, damit die Versicherung wenigstens die Kosten übernimmt.

Er offenbart im Verlauf noch mehr von sich gegenüber Alex, wie sie auch für alle anderen eine Anlaufstelle wird, die sie gleichsam durchschauen wollen. In der vornehmlich sexuellen Beziehung zum kleinwüchsigen Marc nimmt dieses Problem am meisten Gestalt an, weshalb sie nicht umhin kommt, sich selbst entschlüsseln zu müssen. Dies schiebt sie aber vor sich her; sucht die Flucht im Taxi und in den Reisenden der Stadt, die teilweise so kaputt sind, dass sie umso einfacher abgewiesen werden können. Solange Alex nämlich in derselben Stadt bleibt, kommt sie auch immer wieder zu jenen zurück, die sie von sich wissen will und denen sie dennoch nicht entsagen kann. Sie erlaubt sich aber nicht aufzutauen, wie auch der Film um sie herum keine dramaturgische Linie verfolgt. Als Charakterporträt beobachtet er stattdessen individuelle Sackgassen, an denen sich alle treffen und aufreiben. Der Jargon ist schroff und die Abhängigkeit von Kohle und Liebe umso schroffer. Wie weit will man dem Menschsein entgehen oder es solange unterdrücken, dass es in der Verhältnismäßigkeit der Dinge noch am erträglichsten ist?

Das „Taxi“ findet irgendwann einen Mittelweg im urbanen Treibhaus, welcher sich schließlich allerdings mehr vom naiven Wunschdenken herausnimmt. Sowieso hat manches im Verlauf einen comichaften und redundanten Anstrich, der die ansonsten kohärente Charakterentwicklung mit Trivialitäten unterfüttert. Doch wie Alex in ihrer ambivalenten Distanz zum Objekt der Begierde wird, so ist auch Kerstin Ahlrichs Film eine interessante Ausnahmeerscheinung, welche man gerne tiefer erforschen möchte, bis das Taxameter den Höchstwert erreicht.

Meinungen

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