Nicht zum ersten Mal begibt sich Regisseur, Koautor und Hauptdarsteller Tommy Lee Jones mit „The Homesman“ in die filmische Landschaft des alteingesessenen Westerns. Panorama-Aufnahmen der Prärie, naturalistische Folk-Töne, wehmütige Streicher und ein gut sortiertes Ensemble an bekannten Charakterdarstellern in gängigen Rollenmodellen zieren da schon früh die staubige Einöde des ursteinernen, amerikanischen Traums. Jones erliegt jedoch nicht dem nostalgischen Pathos des Genres, strebt aber auch keine eiskalte Dekonstruktion dessen an. Dramaturgische Muster sind dabei nur dezent und dienlich gesetzt und noch immer dem Sinn einer Erzählung entsprechend, jedoch ohne die Stichpunktartigkeit anderer Werke; eher mit dem Fokus auf das charakterliche Ambiente an sich.
Dementsprechend abwägend zeichnet er die nihilistische Härte des Landes, unter der drei Frauen den Wahnsinn erleiden, inklusive unausweichlichen Kindstods, drastischer Selbstverstümmelung, Unfruchtbarkeit und Tod auf den Feldern. Ihre Ehemänner sind allerdings auch keine Hilfe: entweder feige, distanziert oder auch sexuell-herrisch. Ein Männerbild zum Auskotzen, das seine in die ertraglose Wüste verschleppten Familien ans Bett fesselt, schlägt und im Wahn allein lässt – und auch nicht mal jene Verantwortung übernehmen kann, ihnen auf der Reise zur Besserung beizustehen. Stattdessen nimmt eine Frau die Aufgabe an sich: die allein lebende und gottesfürchtige Bäuerin Mary Bee Cuddy (Hilary Swank), mit ihrer puritanischen Trockenheit selber ein trostloser Fall in der hitzköpfigen Männerwelt, aber immer noch so stark und fordernd, dass sie sich dem Treck an die Ostküste gewachsen sieht.
Als Kontrast dazu erscheint ihr der urige alte Mann am Strick, der soeben rußbedeckt wie Fuzzy mit Kugeln und Dynamit aus seiner von ihm widerrechtlich angeeigneten Hütte gejagt wurde: George Briggs (Tommy Lee Jones), ein kleiner Feigling jenseits des gängigen Gesetzes, aber handfest nach alter Schule austeilend und in seinem verlebten Alter unter der faltigen Schale zunehmend dem Geist humanistischer Ehre verbunden. Dass er sich mit der ihn rettenden Cuddy sofort verstehen würde, sollte man natürlich nicht erwarten, bei der Ironie, mit der er sich gegen ihre feste Hand des Missionarischen wappnet. Aber wenn es drauf ankommt, steht er zu seinem Wort und hilft ihr so gut es geht beim Transport der hysterisch-verwirrten Seelen. Daraus leitet sich eine Dynamik ab, die ihren Konflikt in der gemeinsamen Mühseligkeit des endlosen Horizonts und Winters abklärt, zusammenarbeitet, in den individuellen Standpunkten jedoch abgehärtet bleibt.
Doch Jones’ Film wird in jener Konstellation kein Buddy-Movie mit erwartbaren, tränendrüsigen Geständnissen und euphorischen Verbindungen und auch keine ausweglose Zurschaustellung des Leids. Stattdessen geht es ihm um das gewissenhafte Ergänzen der Geschlechter in einer Ära der permanenten Räudigkeit – eine Zeit, in der die karge Wildnis einen an jeder Abzweigung brechen und Hoffnung sowie Liebe versieben kann, in der jeder Mensch in seinen letzten Lumpen für sich selbst steht und nur mit begrenzten Optionen in die Zukunft blicken darf. Die helfende Hand zueinanderfindet jedoch selbst in jener Tristesse einer alternativlosen Einsamkeit ihren Kern, der abseits vom reinen Heroismus auch mal in aller lakonischer Seelenruhe das Feuer der Wut entflammt.
„The Homesman“ entpuppt sich da kontinuierlich als abwegiger Geselle des Gerechten mit dem ungewissen, doch nötigen Schlusspunkt des Seelenwohls seines Gegenüber im Auge. Im Epilog bleibt ihm dann auch nicht mehr viel für seine geleisteten Taten übrig: Die Gnade hält sich bedeckt und schickt ihn wieder zurück auf Anfang, denn um die Garstigkeit des Landes ist es dadurch noch längst nicht geschehen. Aber scheiß drauf: Einfach weiter drüberstehen, singen und tanzen, auf dass es irgendwie weitergeht mit dem menschlichen Ansatz, erst recht in solch zynischen Zeiten unter gemächlich trabenden Pferden, falschen Männern, ihren hadernden Familien und wandernden Käfigen.
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