Ray ist ein waschechter Loser: lethargisch, etwas dicklich und ein Muttersöhnchen. Der geborene Australier wurde just und überraschenderweise zum Spieler des Jahres in seinem lokalen Football-Klub gewählt, dessen Bosse neben dem Ballsport allerdings noch eine andere Einnahmequelle erdacht haben: Drogenhandel. Zusammen mit Mitspieler Gavin soll Drogen-Neuling Ray Heroin von Thailand nach Australien schmuggeln – allerdings in seinem Darm. Als die Beiden dann bei der Einreise zurück in die Heimat von Zollagenten gestoppt werden, halten diese Ray fest und wollen dessen Drogenbesitz beweisen. Allerdings müssen sie so lange warten, bis er seinen Darm entleert. Ray wiederum muss mindestens eine Woche ohne Gang aufs Klo überstehen, um freizukommen. Eine beschissene Situation.

Tony Mahonys und Angus Sampsons Regie-Debüt „The Mule“ bietet eine Ausgangslage von unverkennbarer Absurdität und Einzigartigkeit. Der angeblich nach einer wahren Begebenheit entstandene Film legt nach einer kurzen Einführung und einem Trip nach Thailand direkt mit der Gefangenschaft von Ray los. Dieser wird von den Detectives Tom Croft (Hugo Weaving) und Les Paris (Ewen Leslie) auf einem Hotelzimmer festgehalten und ständig überwacht, befragt und auch drangsaliert. Wo der Film noch recht leichtfüßig und lakonisch beginnt und zuweilen an eine ruhigere Version eines Guy-Ritchie-Werks erinnert, beginnt nach und nach die Stimmung zu fallen und in einem Psychospiel zwischen Ray und den Gesetzeshütern zu münden. Zwar gibt es durchaus den ein oder anderen schwarzhumorigen Moment, doch insgesamt bleibt der Film ernster und galliger, als man anhand der Ausgangslage annehmen könnte. Allen voran Hugo Weaving hat sichtlich Spaß nach seiner Darstellung des Agent Smith in „Matrix“ erneut einen ungemütlichen Cop zu spielen, diesmal mit etwas höherem Arschlochfaktor. Koregisseur Angus Sampson gibt den naiven, stets etwas dümmlich dreinblickenden Ray mit einer angenehmen Ruhe und erweist sich als eine ideale Besetzung für eine solche Rolle. Auch der Rest des Casts hilft jedoch kräftig mit.

Denn im Endeffekt bildet dies genau das Zentrum des Films: „The Mule“ ist ein 100-minütiges Kammerspiel, das von seinen Schauspielern und deren Charakteren lebt. Natürlich resultieren humorvolle, ekelerregende und überraschende Szenen aus der fatalen Ausgangssituation, doch ohne ein eingespieltes und harmonisches Ensemble könnte dieser Film nicht funktionieren. Zu einseitig und ermüdend wirkt sein Szenario nach einer Weile; ein paar Storykniffe gen Ende wirken gar etwas bemüht und unrund. Interessant sind hier die Mimen und ihre (teilweise klischeebeladenen) Figuren, die allesamt mit einer gehörigen Portion Ambivalenz aufgeladen wurden und so den ein oder anderen spannenden zwischenmenschlichen Moment generieren. Wer sind die Guten, wer sind die Bösen – oder sind alle irgendwo dazwischen? Der Film lässt diese Fragen bei vielen seiner Charaktere durchaus offen im Raum stehen und erlaubt dem Zuschauer auf diese Weise eine eigene Interpretation. Das ist mit Abstand sein größter Pluspunkt und macht ihn unterm Strich sehenswert.

So ist „The Mule“ ein kleiner, kauziger Film geworden, auf dessen urkomische Ausgangssituation man sich einlassen muss, aber keinesfalls ein absurdes Gagfeuerwerk erwarten darf. Wem das gelingt, der kann ein launiges und zuweilen böses Indie-Werk genießen, das durch tolle Schauspieler brilliert und sich selbst durchaus ernster nimmt, als man meinen könnte. Gar nicht so scheiße.

Meinungen

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