Nach dem Krieg wird nachgezählt, was übrig bleibt. Und wenn nur Reste bleiben, ist das eben alles. So blickt Martin Zandvliets „Unter dem Sand  – Das Versprechen der Freiheit“ auf ein Dänemark nach der Herrschaft Hitler-Deutschlands, an deren Anfang untereinander noch der Hass wirkt, der auf allen Seiten ausgetragen wurde. Der dänische Feldwebel Carl Rasmussen (Roland Møller) schaut blind auf seine Feinde und wird Aufseher für die Säuberung eines Strands an der Westküste, der von den Deutschen mit Millionen Minen versehen wurde. Für diesen Einsatz halten aber nicht die Hauptschuldigen her, sondern jene, die man noch kriegen konnte und die ruhig verheizt werden können, solange der Hass Genugtuung gibt: Jugendliche Soldaten, fast noch Kinder, die als letzte Reserve in die Schlacht geschickt wurden, sollen ihr Leben riskieren, indem sie die Saat ihrer Machthaber ausspähen. Die Schuld werden sie nicht los, und Rasmussen lässt sie das spüren – er behandelt Jungs wie Sebastian (Louis Hofmann, „Freistatt“) so entmenschlicht, wie die Nazis ihre Opfer einlagerten und sterben ließen. Allerdings: Sofern sie die Entschädigung leisten, verspricht er ihnen die Heimreise. Die werden aber viele nicht erleben, da selbst die Reste des Krieges keinen Unterschied machen, wen sie in den Sand hinunter reißen. Unvermeidlich meldet sich das Gewissen und auch eine dramaturgische Kalkulation, die jedes Szenario im Kleinod dieser Einheit ausspielt.

In diesem Sinne ist auch die Figurenzeichnung des Ensembles teilweise schlicht und reduziert; Regisseur und Autor Zandvliet nutzt solche eindeutigen Elemente allerdings zu einer Spannung, die sich durchaus auch auf den Diskurs um Schuld, Disziplin und Humanität einlässt. Insbesondere Rasmussen steht zwischen den Fronten, muss Gnade und Pflicht abwägen, hart durchgreifen oder Verständnis zeigen. Stets steht dabei das Verhältnis von Opfer und Täter im Raum, die sich potenziell in ihre Gegenseiten verwandeln können, solange diese als Reste des Krieges gewertet werden. Zandvliets Film lässt diese Reibung in ermatteten Eskalationen aufblühen, sein Anliegen bleibt aber größer als die Umsetzung. Er strahlt in unregelmäßigen Abständen Selbstbewusstsein und im Gegensatz plumpe Gerechtigkeitsgefühle aus, während die Stringenz der Genresprache den Zuschauer stets anreizt, dranzubleiben. Reichlich Klischees werden vermieden, nur um dann doch vorhersehbar zu sein. Auch Simples funktioniert mit der nötigen Hingabe – die Schwächen bleiben erkennbar, doch der Film gleichzeitig einvernehmend. Reste sind in diesem Kontext alles, nicht bloß der Feind oder das Werkzeug, sondern Menschen. Eigentlich keine neue Erkenntnis, die in diesem Film auch nicht so ausgefeilt wirkt, wie es die aufregende Inszenierung zu vermitteln versucht. Doch ist sie um eine Ambivalenz bemüht, die unter den Sand blickt.

Meinungen

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