Die einfache Schönheit der Liebe, so zerstörerisch wie einzigartig, pulsiert in fast jedem Menschen. Unsichere Blicke, zufällige Berührungen, nervöses Kichern: Verhalten kann sich standardisieren, ein Gefühl jedoch – und besonders eine solch starke und einzigartige Emotion wie die Liebe – ist individuell und lebt in jeder Person ganz und gar anders. Versuchen wir aber Liebe zu verstehen, sie zu kontextualisieren, auch nur im Ansatz rational erklärbar zu machen, scheitern wir. Denn wie soll man etwas erklären, wenn man nicht weiß, wie es sich für jeden anfühlt?
Xavier Dolan geht diesen eigentümlichen Schritt der Erklärung und nicht der Empfindung. „Herzensbrecher“ ist so überstilisiert und karg, dass die Emotionalität der Liebe nicht greifbar ist, sie schwebt nur im gläsernen Kasten der Undurchdringlichkeit von Habgier und Missgunst vor sich hin, ist aber nie ein Teil dessen, was es zu erleben gilt. Die Protagonisten, gleichsam so stereotyp wie gewollt hip, dass sich die Hosenbeine hochkrempeln, treten als beste Freunde auf und enden als gehässige Egoisten. Sie sind die Instrumente der „Liebe“, die es hier gar nicht gibt; vielmehr agieren und funktionieren sie als Kampfwerkzeuge, um sich gegenseitig zu schaden. Francis (Xavier Dolan) und Marie (Monia Chokri) denken, sie würden lieben, den gleichen Jungen, das gleiche Objekt der Begierde. Doch ihre Liebe verklausuliert Dolan an seine Protagonisten: Sie erhalten ihre Liebe nur dann, wenn der andere dafür scheitert.
Versteht man Liebe ansonsten als Sinnlichkeit und Schönheit, manchmal auch als Schmerz, verzerren sich die Gefühle in „Herzensbrecher“ zum Kampf. Liebe als Konkurrenzkampf ist keine Liebe, sie ist banale Ablehnung von eigenen und anderen Gefühlen und verkommt zur dualistischen Manifestation der Konkurrenz. Zu wenig Liebe zu den eigenen Charakteren macht Dolans ewig gleiches Karussell der Suche und Abweisung zur Nichtigkeit. Wie soll ein Film wie „Herzensbrecher“ adäquat funktionieren, wenn weder eine Identifikation der Personen untereinander noch werkübergreifend möglich ist? Stattdessen ist Dolans zweiter Spielfilm genauso einseitig und ohne Liebe wie sein Erstling „I Killed My Mother“, doch anders als dort sieht Dolan seine Aufgabe nun nicht darin, einen Prozess nachzuvollziehen und zu reflektieren, sondern ihn darzustellen und erst entstehen zu lassen. Ganz wie durch Alfred de Mussets einleitendes Zitat „Das einzig Wahre auf der Welt ist das Gefasel über Liebe“ suggeriert, nutzt Dolan Film als Sprachorgan der Liebe, aber nicht als Bühne. Und das nimmt all jene glückselige Vertrautheit der Thematik und kehrt sie in abscheuliche Abgrenzung zu ihrer eigentlichen Schönheit um.
Mit dem Originaltitel „Les Amours Imaginaires“ versucht sich Dolan vor seinem Unverständnis zu schützen. Indem er alles imaginiert, als nicht existent betrachtet und Gefühle mit Hirngespinsten gleichsetzt, verläuft sich die Essenz der Liebe mit der Fantasterei einer Schwärmerei. Das ist eine banale, aber nichtsdestotrotz verwerfliche Art der Misanthropie und Abneigung alles Menschlichem. Indem Dolan so sehr versucht, Liebe zu begreifen und zu visualisieren, wird der Mensch zu einer Karikatur, genauso wie es die Charaktere in „Herzensbrecher“ sind. Ein elegisches Klagelied voller Unverständnis. Und obgleich die „Jules et Jim“-Metapher als gradlinige Schablone dienen könnte und die Dreiecksbeziehung auch als solche darzustellen in der Lage wäre, mit einer Mischung aus Sehnsucht nach Anerkennung und Zuneigung, aber auch um einen Platz in einer Welt zu finden, die die Protagonisten ja so offenkundig ablehnen, bleibt die einzig haftende Aussage Abneigung um der Liebe willen.
Dolan schöpft aus allen Möglichkeiten, um die inhaltliche Leere durch die stilvollen Einflüsse herausragender Filmemacher auszugleichen. Doch auch hier endet die gut gemeinte Zuneigung in fehlender Eigenständigkeit. Wong-Kar-wei-Zeitlupen funktionieren nicht in der Sterilität eines Dolan-Universums. Hier kumuliert das fehlende Verständnis von Thematik mit dem Dolan’schen Pragmatismus. In der Tat ein Herzensbrecher.
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