Alles beginnt wie bei Martin Scorsese in einer langen Einstellung. Nur dass hier mit der Steadycam vom bürgerlichen Leben in die Unterschicht der Migranten geschwenkt wird; vom fröhlichen Tanz hinein zu betroffenen Geigen. Allen voran sticht dabei der Titel gebende Samba (Omar Sy) heraus, an dessen Beispiel der Film von Olivier Nakache und Eric Toledano folgend eine soziale Durchsicht vornimmt. Mit „Heute bin ich Samba“ suchen die Macher des Millionenerfolgs „Ziemlich beste Freunde“ erneut die Sympathie zu schwierigen Fällen und Randgruppen, in diesem Fall illegalen Einwanderern auf der Suche nach Arbeit und Anerkennung. Gab Omar Sy dort noch den unkonventionellen Hilfesteller, ist er diesmal ein Opfer der Umstände; findet sich in Polizeigewahrsam wieder und erlebt in der persönlichen Bewährung schon bald die Begegnung mit seiner Partnerin dieses Films, Alice (Charlotte Gainsbourg).
Madame Gainsbourg scheint dabei geradewegs vom „Nymphomaniac“-Set rüber gekommen zu sein, so verstohlen interessiert sie dem von ihr betreuten Senegalesen gegenübersteht, beinahe dieselben grauen Klamotten trägt und später scheinbar ironisch den Hang zum sexuellen Exzess zugibt. Jene Anspielungen, die man sich im Kopf selbst zusammenwürfelt, stellen dabei noch das größte Witzpotenzial des Films dar. Nakache und Toledano liegt es nämlich nicht daran, jene Leichtfüßigkeit von ihrem Hit aus dem Jahr 2011 zu replizieren. Stattdessen hangeln sie sich zwei Stunden lang über die gängigen Bilder des Sozialdramas und erklären am Charakter Sambas die Schwierigkeiten, sich in einer Gesellschaft zu integrieren, die einen abschieben will. Dass das Duo dabei teilweise übers Ziel hinaus schießt und auf Klischees reinfällt, wirkt leider so naiv wie auch letztendlich manipulativ.
Man bemerke allein jene Szene, in der Samba nach den Anweisungen seines Onkels mit Jackett und Aktentasche statt Lederjacke und Jogginghose in der U-Bahn umherwandert und dabei von den Fahrgästen kritisch beäugt wird, als ob diese etwas ahnen würden. Wer jemals in seinem Leben in einer U-Bahn mitgefahren ist, weiß: Dort schaut niemand irgendjemanden an. So unsicher, wie sich Samba fühlt, verlaufen auch seine Bemühungen, abseits des Gesetzes in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Wahres Glück findet sich dabei natürlich nicht – ein fester Biss zu jener Thematik vonseiten der Filmemacher ebenso wenig. Gesetze, Institutionen und Arbeitgeber halten sich nun mal gewissenhaft an Gegebenheiten und Voraussetzungen, Nakache und Toledano wiederum mit Urteilen zurück. Sie machen zwar klar, dass man dem Einzelschicksal so nicht gerecht wird, treten damit aber auch im Verlauf merklich auf einer Stelle herum.
Für ein bisschen Abwechslung von der ständigen Ungewissheit Sambas sorgen allerdings die allmählich immer zutraulichere Alice sowie der unbedarfte Kumpel aus demselben Milieu, Wilson (Tahar Rahim). Heimliche Liebe und ausgelassener Spaß gesellen sich da in freimütig eingeschobener Form zum Leidensweg der Unzufriedenheit, auf dem Komponist Ludovico Einaudi seinen Beitrag zu Xavier Dolans „Mommy“, „Experience“, nochmals weit weniger effektiv abspielen lässt. Die Wiederholung früherer Werte zur emotionalen Zeichengebung betreiben Nakache und Toledano auch mit einer Party, bei der die versammelten Sozialarbeiter mit ihren Schützlingen zusammen feiern, tanzen und Lebensweisheiten austauschen. Ein befremdlicher Klon aus „Ziemlich beste Freunde“-Zeiten inklusive kopierten Soul-Grooves, der hier zur Formelerhaltung angewandt wird und höchstens nochmals explizit die Erkenntnis nahe legt, dass man in einer Erzählung über den Lebensdrang von Eintagsfliegen als Zuschauer gefälligst auch die Charaktere im Film wiedererkennen sollte.
Am besten sollte man sich ein Beispiel an ihnen nehmen – so wie sie sich gegenseitig helfen, aufbauen und füreinander da sind, wenn es mal brenzlig wird. Verächtlich sind diese Werte weiß Gott nicht. So wie die Regisseure sie jedoch innerhalb der bewährten Feel-Good-Palette aufzeichnen und somit fortwährend dem Fokus der eigentlichen Problembehandlung entgehen, bleiben nicht viel mehr als einsilbige Mitleidsszenarien übrig. Gepaart mit einer nur halb gar aufrechterhaltenen Nüchternheit (schließlich kann man es sich nicht nehmen, doch mal auf die Tränendrüse zu drücken) und einer kaum anpackenden Sozialkritik (bei der sich eh alle versöhnen) kann dieser Film einem nur leidlich Mut machen. Bezeichnenderweise endet alles auch nur in einem Kompromiss durch Illegalität. Immerhin erhält man durch Freundschaft und Liebe noch ein bisschen Lebensqualität. Doch mit der Lösung machen es sich Nakache und Toledano einfach und setzen auf dasselbe Pferd wie eh und je. Was lernt man daraus? Berechenbarkeit lohnt sich nicht.
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