Jauchzend und tanzend feiern sie das neue Jahr. Das Jahr 2009. Rückblickend für uns ein Jahr, welches politisch durch Obama neu strukturiert wird, während Windows 7 erscheint und Michael Jackson stirbt. Ein Jahr wie jedes andere irgendwie: Wandel und Wechsel, Fortschritt und Rückschritt. Während Leben entstehen, enden genauso welche. Im Konflikt mit sich selbst, mit anderen. Durch Mord, durch Krankheit, durch Unfälle – wenn das Leben endet, ist es egal wie, die Geschichte dahinter ist eine aufregende, eine erzählenswerte. Denn Leben schreiben Geschichten und jede Geschichte hat ein Ende. Für einige Menschen ist das Ende der erste Schritt für den (Neu-)Anfang, ein Happy End für die Optimisten oder ein Fiasko für die Realisten.
Zurück im Jahr 2009 – oder 2008: Dieser junge Mann, Oscar Grant (Michael B. Jordan), ein Schwarzer, ein Jedermann, steht mitten im Leben. Zwar erfolglos, aber mit Familie, mit Liebe. Eine liebenswürdige Tochter, eine liebende Freundin, eine hütende Mutter, vereint im Leben des Oscar Grant, doch irgendwie fehlt etwas. Ein Job, ein geregeltes Leben ohne Kriminalität, mit Absicherung und Sicherheit. Ein Tag wird gezeigt, bevor Grants Leben endet, die Geschichte findet ein Ende. Der Weg aber soll das Ziel des Films sein. Keine politischen Implikationen, keine Disparität der Menschlichkeit, nur die Darstellung eines Kapitels in der Geschichte des Oscar Grant. Und so bleibt auch die Möglichkeit von Regisseur Ryan Coogler begrenzt. Der Film erzählt nichts. Er zeigt nicht einmal etwas. Das einzige, was man zu sehen bekommt, ist die Nichtigkeit eines Lebens. Oscar Grant bleibt irrelevant, sein Leben bleibt irrelevant, selbst sein Tod hat keinerlei Bedeutung.
Der Film ist eine austauschbare, vollkommen inhaltlose Thematik, die sich der politischen Brisanz als Gegenstand nimmt, ihr aber nicht gerecht wird. „Nächster Halt: Fruitvale Station“ ist kein Pamphlet und wirkt auch nicht so, er typisiert keine Parteien, kein Gut und Böse, doch es wird deutlich, dass eine Position nicht ausbleibt. Natürlich sind hier die Schwarzen in einer vordergründig positiven Position, immerhin sind sie es, die der Film zu charakterisieren versucht. Ein Gesicht bekommen sie aber dennoch nicht, genauso wenig wie Oscar Grant ein lebensechter Charakter wird. Er bleibt ein Ideal, ein Stereotyp. Ein Jedermann eben, ein Slang-sprechender, vorbestrafter, aber im Herzen guter Mensch. Genau das, was sich ein Weißer unter einem Klischee-Schwarzen vorstellt. Die mögliche Akzentuierung, die Beantwortung von Fragen, die gestellt werden, gibt es nicht. Da steht nur ein Schwarzer, der versucht sein Leben zu ändern.
Der Film beginnt mit einer verwackelten, unklaren Handyaufnahme. Ein Gerangel wird gezeigt. Menschen streiten sich, man hörte Schreie und Gebrülle, dann ein Schuss. Ab diesem Moment beginnt Coogler seinen Film als Spielfilm. Vorher betrachtet er rund fünf Minuten das Geschehen aus Augen Dritter. So bleibt die Möglichkeit des Verstehens ein Ziel des Films. Es ist einem nicht bewusst, was geschehen ist, warum dieser Schuss ertönte. Das Einzige, was man beobachten konnte, waren verwackelte Aufnahmen, ein nicht verurteilter Einstieg in einen richtenden Film. Beginnt Coogler allerdings seine Haupthandlung werden sämtliche Anreize durch das Desinteresse an Menschen, Handlungen und Themen zerstört. „Nächster Halt: Fruitvale Station“ ist ein formelhaft inhaltloser und auf allen Ebenen verschenkter Film, der die Sicherheit des Nichts der Brisanz des Themas vorzieht. Coogler versucht sich im Schatten des simplen Rekonstruierens zu verstecken. Im vollen Bewusstsein unterlässt er es, Urteile zu fällen, Handlungen zu hinterfragen oder Zustände zu kritisieren. Stattdessen erzählt er einfach nur, aber er vergisst etwas auszusagen. Und eine Geschichte ohne Inhalt hat auch, trotz einem Ende, keine Signifikanz in seiner Darstellung.
Die größte Rettung des Films sind letztendlich seine Darsteller. Michael B. Jordan macht aus dem einseitigen Oscar Grant einen tatsächlich mehrheitlich interessanten Charakter. Er dominiert seine Rolle so sehr, dass die Manipulation des Zuschauers für den Film ein Leichtes wird. Er ist dieser schwarze, sozial ausgestoßene junge Mann. Das Gesicht eines Helden hat er nicht, aber er ist der Normalo, jene Sympathiefigur, die ein Film wie „Nächster Halt: Fruitvale Station“ braucht. Einen darstellerischen Höhepunkt erlangt der Film dann, wenn Octavia Spencer, als Oscars Mutter, auftritt. Ihre Emotionalität, als Oscar stirbt, ihre Rationalität, als sie als fürsorgende Mutter im Dialog mit ihrem Sohn steht. Als Schauspielkino funktioniert „Nächster Halt: Fruitvale Station“, doch als erzählender Film ist es eine versagende Studie über einen schwarzen Mann. Ein leeres Gerüst, voller Möglichkeiten, aber zu schwach, um die Last zu tragen.
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