Joachim Trier macht es einem nicht leicht. Dies liegt allerdings auch daran, dass er es sich mit „Louder Than Bombs“ selbst nicht leicht macht – einem Film, der mehreren Ansätzen auf einmal hinterher trottet, um das Innenleben einer Familie zu erforschen, in seiner Gesamtheit aber oftmals stecken bleibt. Das Oberthema der Geheimnisse, wie auch dessen Zerfahrenheit, lässt sich an kurzen Beschreibungen der Hauptakteure heraus kristallisieren: Zum einen probiert der Film durch den Tod der Mutter Isabelle (Isabelle Huppert), die engeren Verwandten um sie zu bündeln und in der intensiven Reflexion zur Vergangenheit Geheimnisse aufzudecken. Diese will man jedoch dem jüngeren Sohn Conrad (Devin Druid) ersparen beziehungsweise so spät wie nötig offenbaren, obwohl Vater Gene (Gabriel Byrne) den Kontakt zu ihm sucht, ihn sogar stalkt und zudem eine Affäre mit dessen Lehrerin verheimlicht. Conrad hingegen ist als stiller Außenseiter unterwegs, verbirgt aber künstlerische Talente, die jeden, auch seinen Bruder Jonah (Jesse Eisenberg), überraschen. Der hingegen ist als frischer Vater eines Neugeborenen uneins mit einer seiner früheren Beziehungen und lügt in der Ungewissheit, wohin sein Herz schlagen soll.

Man merkt, das in den Einzelschicksalen reichlich Potenzial haust – und obwohl der Schnitt nie ein gänzlich einvernehmendes Tempo hinkriegt und in seinem abstrakten Erzählansatz mehrerer Perspektiven den emotionalen Zugang vernagelt, bleibt es zumindest kurzweilig. Eigentlich entbehrliche Eigenarten wie die Sichtung eines Clips aus dem unsäglichen „Hello Again“, Eisenbergs improvisatorische Bemerkungen zu einem Porträtfoto seines Vaters und Conrads Träne im Angesicht eines an ihm vorbeilaufenden Urinstrahls strengen hin und wieder auch die Lachmuskeln in dieser Varietéshow von Film an. Manche Montagen koppeln eine Energie, welche gleichsam von Stilistiken erfüllt ist, die trotz ihrer Schönheit so deplatziert sind wie manche platt-kontemplative Sichtweisen zum Thema Videospiele. Wie passt das nun wieder? Bei so vielen Eindrücken entspricht die Laufzeit jedenfalls nicht ihrer wahren Länge, während man als Zuschauer nach einem Griff sucht. Vielleicht gegen Ende bietet er sich am Formvollendetsten an, warum die Mutter denn als Kriegsfotografin ihre Einsatzgebiete verstärkt frequentiert hat, anstatt in ihrer Familie zu verharren.

Der Schleier der Verklärung, ob nun von Gefühlen, Tatsachen, Distanzen oder Nähen, liegt über allem und jedem, sowohl im Zirkel der Zufriedenheit im schönen Eigenheim als auch in der filmischen Auswertung dessen. Letzteres hat eine umständliche Vermittlung zu Folge, die unausgegoren zur Ambition schreitet und Substanz in ineinander verwürfelten Episoden verteilt. Unter Umständen macht gerade das den Film spannend, beherbergt er doch in seiner Inszenierung Unkonventionelles und Eigenes, das (meist) fern plakativer Filmsprache an den reizvollen Modus Operandi seines Ensembles tritt. Um diese Qualität wirklich aufblühen zu lassen, hätte Trier dem Wesentlichen einen respektvolleren Rahmen verleihen können, bei dem es nicht alle paar Minuten am Übergang stockt. Allerdings bleiben Ecken und Kanten auch immer länger im Gedächtnis als glatte Perfektion, weil man sich an ihnen stören oder analysieren kann, wie es noch besser geht. Also Joachim: Noch eine Weile abhobeln, dann kommt beim nächsten Mal etwas zusammen, das wirklich wie eine Bombe einschlägt.

Meinungen

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