Seit George A. Romero 1968 den Aufschwung des Zombie-Films mit „Night of The Living Dead“ einleitete, hat sich das Genre in den 45 Jahren weiterentwickelt und neue Akzente gesetzt. Der Begriff des Zombies wurde vom Untoten auf den Infizierten erweitert und bot so ein deutlich größeres Spektrum, als es noch zu Anfang die Möglichkeit hatte. Die kritische Auseinandersetzung soziopolitischer Themen, als auch die profane Menschheitszerstörung fand in der Revolution des Sub-Genres seinen gesetzten Nenner und hat sich heute zu einem der profiliertesten, aber auch umstrittensten Genre-Einteilungen etabliert. Danny Boyles „28 Days Later“ akzentuierte im 21. Jahrhundert samt Sequel „28 Weeks Later“ den Infizierten zur größten nicht-menschlichen Bedrohung, die sich sogar als körperlich ebenbürtig auszeichnet. „World War Z“ begibt sich auf dieselbe Schiene und scheitert an dem vermurksten Drehbuch und fehlender Konsequenz.

Ex-UN-Mitarbeiter Gerry Lane (Brad Pitt) ist mit seiner Familie unterwegs, als auf einmal die Welt aus den Fugen gerät: Untote stürzen die Rushhour und bringen Lanes Familie in Gefahr. Mit Müh und Not gelingt es Lane seine Familie in Sicherheit und auf ein Flüchtlingslager mitten auf dem Atlantik zu bringen. Hier werden ihm die Ausmaße der Katastrophe klar und es wird seine Aufgabe, die Ursache zu finden. Gerry Lane begibt sich mit einem Haufen Soldaten auf eine Reise um die halbe Welt – auf der Suche nach der Rettung.

Dieses heroische Gewäsch des Ein-Mann-Soldaten war vorerst nicht so beabsichtigt. Nach durchgehend anhaltenden Problemen der Dreharbeiten, die dazu führten, dass der Premierentermin auf den Sommer 2013 gelegt werden musste und somit auch die Produktionskosten stiegen, war Paramount Pictures der Ansicht aus dem vorher R-Rated-Zombie-Massaker einen weichgespülten Sommer-Blockbuster mit Star-Appeal durch Brad Pitt zu machen. Der auf dem Roman „Operation Zombie: Wer länger lebt, ist später tot“ von Max Brooks basierende Film verstümmelte sich selbst, in dem er sich an die typischen Gepflogenheiten eines Hollywood-Blockbusters hält und jede subversive Marke missen lässt. Die vorher mehr an der Buchvorlage orientierte und somit eigenständigere Darstellung der Thematik wandelte sich durch Drehbuchautor Matthew Michael Carnahan zu einem typischen Unterhaltungsprodukt, der bestenfalls durchschnittliche Filmfreude ist. Der komplette dritte Akt des Films wurde verworfen und einem vollkommen neuen Schluss angepasst: Aus einer großen Massenschlacht in Moskau verschlimmbesserte man das Finale zu einem aufgesetzt spannend wirkendem und lächerlichem Ende in einer WHO-Zentrale in Wales. „World War Z“ lässt frühere politisch-kritische Implikationen vollständig aus und verhätschelt den Zuschauer mit seinen blutarmen Kämpfen für nichtssagende Durchschnittsunterhaltung.

Marc Forster allerdings beweist seine Fingerfertigkeiten als Regisseur besonders im ersten Drittel. Der Beginn ist reichlich unkonventionell: Zwar beginnt es damit, dass die amerikanische Vorzeigefamilie vorgestellt wird, doch sobald eben diese in der Rushhour steckt und die ersten Zombies auftreten, ändert sich alles. Es ist wie ein Blitzschlag. Ohne Ankündigung dreht alles durch. Menschen werden zu Bestien; Feinde zu Freunden und Freunde zu augenscheinlichen Feinden. Ebenso kann man dies als eine Drehbuchschwäche ansehen, die das Gezeigte einfach als gegeben hinnimmt und ohne Zusammenhang aus der Gesellschaft eine wütende Meute voller Untoter macht. Aber gerade das macht die atmosphärische und beängstigende Stimmung zu Beginn aus. Es ist ein wütender Sturm voller Kompromisslosigkeit, der die Ordnung der Charaktere, aber genauso die filmische Ordnung aus der Bahn wirft und so durch eine grandiose atmosphärische Dichte besticht.

Brad Pitts Charakter ist auf einmal in einer passiv-offensiven Funktion und muss seine Familie beschützen. Der stereotype Charakter wird durch Pitts souveränes Schauspiel erst lebendig. Anfangs noch als austauschbare Schablone deklassiert, wird aus Lane plötzlich ein unterdrückter Sklave des Systems. Die Oberflächlichkeit, mit dem diese Thematik behandelt wird, straft die eigentliche Intention und macht den kritischen Unterton zur Paraphrase heroischer Mündigkeit. Sobald Pitt auf sich allein gestellt ist, versagen Drehbuch und Regie durchgehend. Da ist es ein bedauerliches Glück, dass es Pitt gelingt den Film allein zu tragen: Sein Charisma und seine Beständigkeit als Schauspieler denunzieren jeden weiteren Akteur und lassen keine Chance auf ein ausgefeiltes Ensemble-Auftreten. Ein paar Hoffnungsschimmer scheinen immer wieder durch, doch Forster ist nicht in der Lage das statische Gerüst zu stemmen. Flüchtet sich „World War Z“ in seine ruhigen Momente, empfiehlt sich Forsters Regie ein weiteres Mal als Katastrophe. Jessica-Chastain-Schablone Mireille Enos ist nur die blasse Hausfrau, die durchgehend um den Helden bangt und dem Zuschauer klar macht, wie gefährlich dessen Aufgabe ist.

Durch seine Konsequenz macht Forster im ersten Drittel einen ungemein großen Sprung, die in seinem Genre mitunter unvergleichbar ist, aber sich ebenso schnell wieder in seinen Banalitäten verliert. Die Dramaturgie funktioniert gut und drischt nicht mit unsensibler Motorik auf den Zuschauer ein, sondern entfaltet sich in den jeweiligen Akten. Forster arbeitet nicht mit verschachtelter Erzählmethode, will nicht übermäßig verwirren oder die Aufnahmefähigkeit des Publikums reizen – der Regisseur erzählt die Geschichte simpel ohne sich zu verhaspeln und gewinnt dennoch nicht das Spiel. „World War Z“ steht zu sehr im Schatten seiner missratenen Dreharbeiten und ist gezeichnet: Der wunderbare Beginn endet katastrophal und schafft es nicht sich über ein durchschnittlich hinaus zu wagen.

Meinungen

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