Cal Fournier (Michelangelo Passaniti) wurde vom Himmel nur das Beste auf den Weg gegeben: Er sieht blendend aus und ist ein Schachgenie. Diese Gaben vereint er mit einer frostigen Unnahbarkeit, die mit einer ebenso subversiven Arroganz einhergeht. Gegner besiegt er sowohl im vollkommenen Rausch als auch mit sprichwörtlich zugebundenen Augen. So scheint dem Sieg bei der bevorstehenden Meisterschaft in Budapest nichts im Wege zu stehen. Nur ein halb so alter, elfjähriger Junge aus Ungarn, der anfangs noch unauffällig mit Rollschuhen durch die Spielreihen flitzt, entpuppt sich allmählich als überlegener Gegner. In ihm erkennt Cal die absolute Hürde, den Endspieler, der ihn von seinem hohen Ross zerren und auf dem Schachbrett förmlich massakrieren könnte. Fortan wird seine durch Selbstbewusstsein ausstaffierte Unsicherheit auch für die ihn Umgebenden sichtbar. Seine eitle Fassade bröckelt und der Meistertitel schwebt in zunehmender Gefahr.
In etwa achtzig Minuten erwartet man nicht unbedingt die Originalität und Innovation, die „Zug um Zug“ überraschenderweise darbringt. Rasant und kurzweilig ist dieses solide Spielfilmdebüt, das trotz seiner Kürze thematisch eine Menge einzubringen weiß. Ehrgeiz, Gefallsucht und purer Siegeswillen sind Leitfaden des Protagonisten sowie seines Mentors und seiner ambitionierten Bettgenossin. Wechselseitige Hilfe gibt es hier nur für Gegenleistungen. Nichts ist umsonst. So flanieren die Jugendliche durch das luxuriöse Hotel in Budapest, feiern wilde Partys und frönen der Dekadenz. Dass es sich um ganz traurige, einsame Gestalten handelt, wird spätestens beim übergewichtigen Brillenträger klar, der noch nie geküsst wurde. Dass die vermittelten Werte über Freiheit und Bedingungslosigkeit in der Freundschaft schlussendlich am Rande abgebildet werden, ist hierbei gar nicht so dramatisch. Zu rigoros ist die Einsamkeit der Hauptfigur. Eine Einsamkeit, in die sie sich selber einkerkert und die Michelangelo Passaniti mit seinen harten Gesichtszügen adäquat transportiert. Erst zum Ende hin offenbart sich hinter seiner vorgegaukelten Kühle das sensible Bedürfnis nach Nähe und einer Form von Intimität, die in dem von Geltungssucht geprägten Umfeld nicht auffindbar ist.
Auch wenn die emotionale Essenz nicht gänzlich ausgeschöpft wurde und man mehr Augenmerk auf den Look sowie den vibrierenden Soundtrack legte, der die elegant und dynamisch gefilmten Schachsequenzen untermalt, ist dies ein fesselnder, von französischer Freizügigkeit und Sexyness durchseuchter Erstlingsfilm, der seine Energie nur so heraus sprüht und neugierig auf kommende Filme der Regisseurin Elodie Namer macht.
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