Sie stehen da im Nichts, diese beiden unterschiedlichen, aber sich ergänzenden Charaktere – jene von der Gesellschaft missbrauchten, in ihrer eigenen Welt lebenden Außenseiter. Das überzogene Selbstbewusstsein des einen wird zum Anker des anderen, während der kleine und unscheinbare Gauner zum emotionalen Wegweiser wird. Als Parabel anmutende Ausgangslage von Kriechern und Schleichern wird John Schlesingers „Asphalt-Cowboy“ ein ungestümes Werk voller Nichtigkeiten und Banalitäten, das die Wichtigkeit des Kleinen erkannt hat. Ein Film der Menschen, denen es egal ist, wo sie leben, solange sie leben. Der Weg von Texas nach New York wird zur marginalen Erkundung der eigenen emotionalen Reife, wenn der schlussendliche Schritt, die aufbauschende, niemals endende Waghalsigkeit der Protagonisten zur Reife des eigenen Versagens wird.
Joe Buck (Jon Voight), der schöne, sich liebende, selbstbewusste, reist von Texas nach New York, um sich selbst zu testen. Er will mehr erleben, sein Können zu Geld machen. Darunter versteht er, mit Frauen für Geld zu schlafen. Der ungebildete und naive Joe wird zum Sklaven der Stadt, bis er Ratso (Dustin Hoffman) trifft. Als Manager versucht er, aus Buck Geld zu holen, merkt aber die Unsinnigkeit dieses Unterfangens, bis es zum Eklat kommt – Ratso erkrankt und so fahren er und Joe nach Florida.
Eine Geschichte ohne Fokus, ohne Ziel, ein treibendes Bild von Schicksalen in den Städten Amerikas. Ein trostloser Blick auf die Fassaden der Menschen, die versuchen, aus dem auszubrechen, was sie gefangen hält. Joe Buck ist ein Naivling, ein Niemand, jemand, der sich seiner Unwichtigkeit im Gesamtkollektiv der Gesellschaft nicht bewusst wird und verzweifelt versucht, sich selbst zu profilieren. Er verkauft sich selbst – wird vom Subjekt zum Objekt und ist dabei ein, mit Stolz geschwellter Brust, blinder Sekundant der Leidenschaft. John Schlesinger blickt mit einer verträumten Brille der Sensibilität auf seine Charaktere und macht sie zu Sklaven der Lust. Keine Lust im sexuellen Sinne, sondern der Lust als Lebensweg: Sie schreiten voran, diese Nichtigkeiten von Personen, und werden im Laufe ihres Weges euphorischer, traben blindlings von Stadt zu Stadt, vom Anfang zum Ziel und bleiben dabei erquickende Freuden, selbst in Anbetracht der Katastrophe. „Asphalt-Cowboy“ versteht sich als Film des Folgens und Verfolgens, des Nachschauen und Beobachten – Joe Buck und Ratso sind Produkte ihrer Zeit, mit Dreck verschmierten Gesichtern und schweißbefleckten Hemden, sie sind der Schmutz der Gesellschaft, so wertlos und egal wie sie sich selbst am Anfang ihres Weges gesehen haben. Es ist der erhobene Mittelfinger zum postulierten amerikanischen Traum.
„Asphalt-Cowboy“ blickt auf nichts, außer seine Protagonisten. Doch eben diese Zentrierung auf seinen Hauptbestandteil macht den Film auch in seiner Betrachtung als Studie von Außenseitern zum einseitigen Kern der Auflösung. Nicht die Gesellschaft ist Teil des Ganzen, sondern die Protagonisten sind Teil der Gesellschaft, die es nicht gibt. Es gibt Arschlöcher, es gibt Schöne und Hässliche, doch sie interessieren nicht. Sie tänzeln an den Rändern der Geschichte, doch sind Schablonen von ausgestoßenen und missachteten Menschen, unwichtig, reizlos, unsichtbar. Eine Kollaboration von Existenzen, die ausreizen, was passieren könnte, aber nicht geschieht, wird vergessen. Ein stringenter Blick auf die Protagonisten lässt die Umstände vermissen. Schlesinger kreiert eine selektierte Welt, in der es nur Buck und Ratso gibt.
Aber dann wird „Asphalt-Cowboy“ ein Film über Freundschaft, ausgestoßene Persönlichkeiten und verlorene Ideale. Seine Sensibilität für den Ausbruch der Individualität, der Relevanz des Einzelnen, Rücken an Rücken im Getümmel der Großstadt, macht aus dem Einzelnen das große Ganze. Liebe gibt es nicht, sie wird überschattet von Häme, es bleibt nur das Vertrauen, welches erst verraten werden muss, bevor man diesem glaubt. Während sie gemeinsam dem amerikanischen Traum hinterherjagen, werden sie selbst zu Träumen; jene Träume der Verlassenen, weil sie erkennen, was sie haben können, wenn sie gemeinsam sind. Am Ende gibt es keinen Einzelnen mehr, denn Buck und Ratso sind als Team die Strecke gelaufen, die sie ans Ziel führen soll, aber am Ende doch nur wieder vereinsamen wird. Das makabre Ende positioniert Schlesinger als Geschichtenerzähler, nicht als Inszenator. Es zerstört gleichzeitig alles, was aufgebaut wurde und lässt doch etwas Neues, Stärkeres, Positiveres entstehen. Wieder von Anfang. Ein Kreis, unterbrochen, wenn das Ende erscheint, doch bleibt den Figuren Schlesingers kein Platz zum Unterbrechen, sie müssen voranschreiten, das Leben leben, bevor es – und das wird es – endet. Und letztendlich ist für jeden der Beteiligten das Ende zu früh.
Eine Geschichte, ein Lebensabschnitt von zwei Personen, die von dem, was sie haben, mehr wollen, Neues erschaffen wollen, kreieren, freuen, doch sie leben den Traum der Träumer. Jeder Traum kann zum Albtraum werden. Ob dieser Traum ein Albtraum wurde, oder einfach ein Schritt in die nötige Richtung ist, bleibt offen. Es ist am Ende sogar nur eine rudimentäre Randbemerkung. Wichtig bleibt nur das Wissen, dass es da zwei Männer gab, die ausbrechen wollten, aber gefangen sind. Ein Sklave der Lust, ein Dieb von Glück. „Asphalt-Cowboy“ als zwingende Studie über Außenseiter zu begreifen, macht ihn einfacher zu verstehen, doch bleibt er als Zeitbild einer Generation, einer Stadt, eines Lebensgefühls nur ein zentrierter Blick voller Schmerz.
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