Vince Vaughn: ein Mann, ein Name, ein festgefahrener Rollentypus. Bevor der bewährte und längst langweilende Mime seine dramatische Wiedererweckung in der zweiten Staffel von „True Detective“ probieren darf, fährt er jedoch in „Big Business“ wieder sein komödiantisches Einmaleins auf. Ohne Umschweife und mit audiovisueller Austauschbarkeit lässt er sich von Ken Scott – Regisseur seines „Der Lieferheld – Unverhofft kommt oft“ – als mittelamerikanischen Berufsversager voll liebenswertem Mitteilungsbedürfnis inszenieren, wie er ihn schon seit einer gefühlten Ewigkeit spielt. Sein Rollenname, Dan Trunkman, wird dabei gänzlich irrelevant, wie auch viele Details seiner beruflichen Situation in Windeseile vergessen werden. Man muss sich nur merken: Es geht um den großen Deal und ohne den kann die Glückseligkeit nicht gelingen. Die soll so aussehen, dass er mit seiner Firma auf festem Boden stehen und bei seiner Familie sein kann. Dies drängt sich ihm immerzu rührselig und plakativ ins Gewissen, da sein dicker Sohn Paul in der Schule und im Internet gemobbt wird und seine kleine Tochter Bess aus Angst andere Kinder verprügelt. Vince Vaughn würde im echten Leben Schusswaffen auf dem Schulhof als Lösung empfehlen.
Die Einzigen jedoch, die seiner Figur helfen können, sind seine zwei urigen Kollegen: der alte not- und scheidungsgeile Timothy (Tom Wilkinson) sowie der schüchterne Holzkopf Mike Pancake (Dave Franco), bei dem ebenso der sexuelle Notstand ausgebrochen ist. Zusammen müssen sie für den großen Deal einen Sprung nach Berlin machen und erleben dort die verrücktesten Abenteuer, die Pepsi mit Schleichwerbung spendieren kann. Dieses einfache Konzept erweist sich als nicht sonderlich erfüllend, weshalb der Film auf Running Gags und spekulative Kulturverständnisse en masse zurückgreifen muss. Deutschland wird hier nämlich als Stellvertreter Europas zur Hochburg liberaler Abgefahrenheit – zumindest im Vergleich zu den USA. Hier wird noch gegen Sachen wie den G-7-Gipfel demonstriert, während Fetisch-Schwulenclubs mit Schwänzen in den Wänden wie auch Unisex-Saunas in voller Mode sind und Drogenkonsum in Jugendherbergen das A und O des internationalen Treffens darstellt. Diese aberwitzige Freizügigkeit deckt sich nur bedingt mit dem spießigen Unterton des Films, der sich immer wieder anhalten muss, um die Familienplatte aufzulegen und ein Mindestmaß an Erfüllung im Standardmenschen des Vince Vaughn zu erbetteln, bis das erwartbare Happy End keinerlei Substanz mehr hinterlässt. Da ist Vaughns durchgehender Voice Over der Selbstfindung nur die Spitze des entbehrlichen Eisbergs.
Abseits davon scheint aber zeitweilig das Potenzial für abwegige Qualitäten durch. Zum einen legt es Dave Francos Hingabe zu seiner unfassbar dämlichen Figur haltlos darauf an, als liebenswerter Honk den Fremdschampegel hochzujubeln. Als übertrieben planloser Nebencharakter trägt er somit fast den gesamten Humor auf seinen Schultern. Andererseits schafft die Melange der Kulturverständnisse aber einige bizarre Szenarien, welche über die bloße Erkennung von regionalen Anachronismen hinausgeht. So sei beispielhaft jene Szene erwähnt, in der Vaughn blaugrünen Lidschatten anlegt, um seinen Sohn aufzumuntern, da dieser zur missglückten Aufnahme in die Goth-Clique („Selbst unter den Außenseitern bin ich ein Außenseiter.“) keinen schwarzen Lidschatten aufwenden konnte. Sodann läuft Vaughn beinahe den gesamten dritten Akt mit Lidschatten durch die Gegend, bis auch der letzte den Witz verstanden hat. Das größte Potenzial verspricht aber ein Hotelzimmer in Berlin, das sich als Kunstinstallation für den American Businessman 42 entpuppt. So lebt Dan tagein tagaus als lebende Kunst, die ihre Lebensfunktion als gesellschaftlichen Typus für zahlreiche Besucher darstellt, wie wir als Zuschauer auch Vaughn selbst auf der Leinwand als Rollenmodell projiziert bekommen.
Ein Charlie Kaufman hätte womöglich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und daraus eine konsequente Meta-Satire erschaffen, in der Dan fortwährend unter diesen Bedingungen haust, seine Familie in eine künstliche Nachbarschaft einziehen lässt und für ein zahlendes Publikum fingierte Deals sowie ein künstliches Sozialleben abarbeitet – „Mein Leben als amerikanischer Businessman“ sozusagen, wo wir doch gerade wieder mit schlechten deutschen Verleihtiteln konfrontiert werden. Bis dahin kommt Ken Scotts Film allerdings nicht, dafür wird er umso plumper und beliebiger. Man kann immerhin froh sein, dass man sich selbst in solchen Fällen noch immer an manche Aspekte, ob nun freiwillig oder unfreiwillig komisch und hintersinnig, festklammern kann. Gezielte Lustspiele sehen aber anders aus.
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