Brainstorming: Côte d’Azur. Strände, Cabriolets, Jazz. Ja, das. Elegante Begeisterungsarien, verschwenderische Nachmittage, charmante Nächte. Daneben: falsche Fünfziger, verbiesterte Hochstapler, hochtönende Quacksalber. Alles drin im umfangreichen Kontrastverzeichnis. Sonne und Schatten, Wasser und Klippen, Logis und Lügen. Woody Allen mag die abgeschmackte Postkartenidylle, den ersten Eindruck touristischer Überrumpelung. Früher, drei, fünf, sieben Filme vorher (wer mag das schon abzuschätzen), hatte er aber noch Lust auf den Schlund, die Depressivität und Vernarbung. Wegen dieser Orte, Grabstätten und Magnete gleichermaßen. Es passt zu „Magic in the Moonlight“, dass sich der verwinkelte Fake zum Schluss in Luft auflöst und die suggestive Anziehungskraft der Landschaft jene Reaktionen forciert, die zur Postkarte zurückschielen: mit einem Versöhnungskuss einer aussichtsreichen bevorstehenden Zeit. Wie öde. Woody Allen macht regelmäßig Filme. Nichts hält ihn auf. Jedes Jahr mindestens ein neuer. Sein Schaffen ist nicht erst seit gestern dort angedockt, wo es sich zyklisch und rituell verselbstständigt hat. Aber Woody Allen beginnt, seine Frische zu überschreiten, indem er zusehends öde Theaterfilme tapeziert: Er sucht sich geeignete Oscar-Schauspieler, platziert sie auf einer Bühne und gibt das Zeichen zur Action. Dann reden sie. Und reden. Und reden. Hörbuchkino zum Abgewöhnen. Atmen, Woody!

In „Magic in the Moonlight“ tadeln sich diesbezüglich Colin Firth, der sophistische Materialist, und Emma Stone, das verpeilte Wunder, nach einer Autopanne. Um sie herum wehklagen Blitzgewitter und Donner, eine Szene von unschätzbarem Symbolgehalt. Wütend, aber doch lieb! Die paradiesische, abschätzige Gemütlichkeit, die „Magic in the Moonlight“ ausstrahlt, hadert aufgrund des Laberns, Nuschelns und Quatschens. Schlicht ein verkrampf verschlossener Film. Für „Hörbuchkino“ war Allen zwar dauernd zu haben, aber die explodierenden Wörterfluten bargen komplexe Komplexe. Jetzt collagiert er die Sprache unermüdlich, sogar aus dem Off, wenn die Kamera während einer reizenden Autofahrt in die Totale überwechselt. An dem Grundstein der Geschichte, Rationalität gegen Metaphysik, Skepsis gegen Glauben – denn er (Firth) muss sie (Stone) auf Nichtschwindel überprüfen –, arbeitet Allen resolut vorbei, weil er zu viel redet, als dass er hinhorcht. Halt doch einfach mal den Mund, Woody! So verkommt wohlgelauntes Seemannsgarn zum geschraubten Frontalabspulen vertrauter Woody-Allen-Manie, die sein Spätwerk typisiert. „Magic in the Moonlight“ mutet wie ein Film an, der rüstige Rentner begeistert, aber, ungeachtet von Côte d’Azur und Entspannungsflimmern, sinnliche Genussmenschen vertreibt. Colin Firth ist es anzumerken: Er, wir haben uns langsam ans (erlösende) Filmende angetastet, schweigt wohltuend und klappt die Augen zu. Bevor es wieder „Action!“ raunt.

Meinungen

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