Sam Firstenbergs „Breakin’ 2 – Electric Boogaloo“ erweitert unseren Rückblick auf das berüchtigte Werk der Cannon Films – denn nicht umsonst hieß es auf jeder ihrer Videokassetten: „We’re Cannon Films and we’re dynamite!“

Ganze sieben Monate nach dem Erstling startete schon „Breakin’ 2 – Electric Boogaloo“ in den USA durch. Mit einem ähnlichen Tempo legt auch der sonst für Ninja-Action-Ware abonnierte Regie-Nachfolger Sam Firstenberg sein Inferno der Tanzchoreografien hin, sodass einem im Verlauf zunehmend schwindelig wird. Was nämlich schon den geradlinigen Drang zur Tanzfreude im Original anspornte und dazu gerne die Grenzen der Glaubwürdigkeit durchbrach, erhält hier die Übermacht zu einer verhältnismäßig noch dünneren Handlung: Ozone (Adolfo Shabba-Doo Quinones) und Turbo (Michael Boogaloo-Shrimp Chambers) helfen inzwischen einigen Kids von der Straße, etwas aus ihrem Leben zu machen, indem sie ihnen das professionelle Abhotten im Jugendzentrum Miracles beibringen. Doch jede Menge Ärger macht sich breit, als der fiese Bauspekulant Douglas (Peter MacLean) den ramponierten Treffpunkt zur Errichtung eines Supermarktes nutzen will und dafür rücksichtsloses Plattmachen ansagt – es sei denn, der Verein kann an die 250.000 Dollar für Reparaturkosten aufbringen.

Drum versuchen alle, ihren Beitrag zu leisten. In dem Fall heißt das: Tanzen, bis der Arzt kommt, selbst im Angesicht von Bulldozern. So kehrt dann auch die kesse Biene der alten Truppe, Kelly (Lucinda Dickey), an Ort und Stelle zurück, um den Kids bei der Rettung des Centers unter die Arme zu greifen – und das, obwohl ihr Agent ihr ein Vortanzen für einen Job in Paris zugesichert hat, der sie von den dringlichen Missständen potenziell fernhalten dürfte. Selbst ihr Vater hat etwas dagegen, dass sie sich weiterhin mit den liebenswerten urbanen Gestalten herumtreibt – basierend auf einem Kulturverständnis, das genauso wild keift, wie das Ambiente im Miracles mit greller Staffage die Augen des Zuschauers überwältigt. In steter Reihenfolge hämmert Firstenberg nämlich schon zu Anfang mehrere Musik- und Tanznummern durch, die sodann in Massenbesetzung auf die Straße gehen und umstehende Passanten mit heißen Moves anstecken, auf dass alle ungehalten mitmachen.

Die surreale Verzerrung, die im Original höchstens noch angedeutet war, findet also mehrere Ventile, sobald sich Turbo in die offenbar permanent auf der Stadtparkbühne abfetzende Lucia (Sabrina Garcia) verliebt. Daher fordert er unter anderem Liebesratschläge von Ozone, dessen Beziehung mit Kelly allerdings im Augenblick kriselt, da eine Ex von ihm ebenfalls im Miracles ackert. So bemühen die beiden jungen Herren also zur Übung eine Puppe, in die sie jedoch ihre jeweiligen Damen projizieren und auch austauschen, bis sie das Objekt der Begierde demonstrativ auseinanderreißen. Später geht Turbo sogar à la Fred Astaire an die Decke, so sehr fühlt er sich im siebten Himmel. Als Zuschauer gerät man aber auch dorthin, wenn Turbo nach der Mitte des Films voll logistischer Schwierigkeiten um die Rettung des Centers zwar im Krankenhaus landet, seine Freunde und die Krankenschwestern dort allerdings in eine spontane Varietäten-Nummer ausbrechen.

Derartige Szenen sorgen zunehmend für Verwunderung, je öfter der Film versucht, seine Handlung in der Realität zu erden und vor allem Kellys Hadern mit ihren Träumen darzustellen. Die erfahren denselben gesellschaftlichen Widerstand wie die Belange des einfachen Volks, doch umso erquickender schlagen dann Sätze der Gerechtigkeit und Entschlossenheit zu, bei denen selbst die verfeindete Gang der Electros mitmischt (die übrigens gerne das eine oder andere Dance-off aufschlagen). Wie die Sachlage jedoch zum Schluss hin aufgelöst wird, kommt wirklich aus dem Nichts – ganz das Mirakel, wonach die baufällige Konstruktion benannt wurde. Somit bereitet es einen auch allzu stimmig auf ein knallbuntes Finale vor, welches das zuvor schon virtuose Schnittgewitter des Films mit ausgelassener Niedlichkeit und Ice-T höchstpersönlich in die Stratosphäre katapultiert.

Dies manifestiert sich zur konsequenten Darstellung eines Lebensgefühls, das die Erfüllung im Spaß sowie in Spandex und Lederkluft sucht. Im Vergleich zum Original somit ein glatter Cartoon, voll mit durchchoreografierten Grimassen und Tanztrupps, bei dem selbst die deutsche Synchronisation nicht besonders an Wahnsinn zulegen muss (auch wenn manch unentspannte Zeitgenossen gerne als „feucht“ bezeichnet werden). Das kann im Verlauf die Sinne überfordern oder glücklich machen. Wofür man sich entscheidet, ist jedem selbst überlassen, denn der Film geht seinen eigenen verballerten Weg. So viel gebündelte Energie in knapp neunzig Minuten Laufzeit, ohne Rücksicht auf Verluste der Rationalität, würde sich heutzutage jedenfalls kaum noch einer erlauben – also unbedingt einen Energy-Drink bereithalten, um mit dem Takt von „Breakin’ 2 – Electric Boogaloo“ mithalten zu können.

Meinungen

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