Es war einmal ein kleines Mädchen namens Sophie. Sie wurde von einer bösen Hexe in eine alte Frau verwandelt. Deshalb blieb ihr nichts Anderes, als ihr altes Leben als junge Hutmacherin hinter sich zu lassen. Auf ihrer Reise lernte sie eine hilfsbereite Vogelscheuche kennen, die ihr neuer Wegbegleiter wurde. Doch dann traf sie im Tal der Furchen auf ein mysteriöses Haus: das wandelnde Schloss des schönen Zauberers Hauro. Dieser stellte zunächst sie als Putzfrau ein, verliebte sich dann in sie, rettete ihr mehrmals das Leben und erkannte schließlich ihre innere wie auch äußerliche Schönheit. Wer hätte es geahnt: Es ist die große Liebe. „Das wandelnde Schloss“ von Hayao Miyazaki ist ein klassisches Märchen: Boy meets Girl; Girl wird verhext; Girl trifft im verhexten Zustand auf Boy; dieser verliebt sich dennoch in sie; am Ende kommen sie zusammen; nebenbei wird die Welt von allem Bösen befreit und gerettet – Happy End. Miyazakis Anime-Film aus dem Jahre 2004 basiert lose auf dem Kinderbuch „Sophie im Schloss des Zauberers“ der englischen Autorin Diana Wynne Jones.

Mit viel Feingefühl, Humor und einem Gespür für das Subtile erzählt „Das wandelnde Schloss“ die Geschichte von Sophie und zeichnet dabei ein scharfes Bild einer fremden Welt, die unserer dennoch ganz nah ist. Die Landschaft erinnert an die Idylle des bayerischen Alpenvorlands, die grünen Oasen Englands, wohingegen das romantische Heimatstädtchen von Sophie an das Vorkriegs-Europa angelehnt sein mag. Die Ruhe vor dem Sturm, vor dem Angriff, dem drohenden Krieg. In dieser fantastischen Welt zwischen Magie und Romantik versammeln in sich Werte, Eindrücke und Probleme, die unserer Gesellschaft entstammen: Krieg, Materialismus und Kapitalismus werden kritisiert. Während sich zwei Reiche mit Bomben und Kampfflugzeugen bekämpfen, steht dennoch im Zentrum stets die Sehnsucht nach Liebe und Freundschaft. So wird auch die böse Hexe aus dem Niemandsland, die zu Beginn Sophie mit jenem Fluch belegt hatte, am Ende gut. Nachdem sie nach langer Zeit endlich das Herz des schönen Zauberers Hauro in der Hand hält, überlässt sie es am Schluss doch Sophie, sodass beide miteinander glücklich werden können.

Sophie ist die Personifizierung des Guten per se. Ein Gutmensch. Was an manchen Stellen vielleicht ein wenig überzogen, gar kitschig wirken mag, wird dennoch so wunderbar inszeniert, dass man es Miyazaki gar nicht übel nehmen kann. Schließlich ist Sophie vor allem eines: eine großartige Protagonistin. Sie verkörpert Jung und Alt  in nur einer Figur. Sie ist zuversichtlich, selbstbestimmt und determiniert. Sie weiß, was sie will und kämpft auch dafür – sogar mit ihrem Leben. Im Laufe der Geschichte durchwandert sie eine Entwicklung: Obwohl sie am Anfang ein schüchternes Mädchen ist, das sich selbst für hässlich hält, wird sie am Ende zu einem schönen Schwan, der trotz seines hohen Alters Lebensfreude und Glück ausstrahlt. Interessant ist diese Entwicklung vor allem auf bildlicher Ebene. Denn Sophies Aussehen und Erscheinungsbild verändert sich ständig.

Sie ist nicht einfach nur eine alte, verrunzelte Frau, sondern verwandelt sich in eine alte Schönheit. Zunehmend wird ihr Gesicht wieder jünger, die Falten weniger, ihr Körper schlanker und gesünder. Bis sie letztlich eine wunderschöne Frau mit kurzem grauen Haar ist. Zeitlos und alterslos. Dieses kleine Detail lässt „Das wandelnde Schloss“ zu einem besonderen Märchen werden, das mit dem Genre spielt und es am Ende sogar bricht. Der Fluch muss nicht aufgehoben werden, damit das Liebespaar endlich glücklich werden kann. Er ist gar irrelevant, eine bloße Facette. Dadurch ist „Das wandelnde Schloss“ nicht nur ein Anti-Kriegsfilm, sondern kritisiert darüber hinaus auch bestimmte Werte in unserer Gesellschaft. So rückt am Ende für den Schönheitsfanatiker und ehemaligen Weiberhelden Hauro das Äußerliche in den Hintergrund, da Sophies großes Herz alles unwichtig erscheinen lässt, und sie dadurch zum schönsten Menschen wird, den er je gekannt hat. Welcher Satz könnte da besser passen als Antoine de Saint-Exupérys berühmtes Zitat aus „Der kleine Prinz“: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“

Meinungen

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