Gleich kleb ich dir eine, Nigga! Aber vorher klebt dir Rick Famuyiwa eine – mit Wumms, Swag, like Yolo, full metal fresh, hot, sick, sexy. Aber nicht kursiv, nicht in Großbuchstaben oder zumindest Kapitälchen. Sondern fett. Und nur fett. Ausrufezeichen. Ghettofaust. Doch halt: Darf ein Weißbrot so was schreiben? Darf es lachen, wenn Afroamerikaner dealen, sich in die Haare kriegen, ihre dicken Goldketten um die Hälse drehen? Das ist „Dope“: die Frage, wie viel Jargon als Weiße(r) in Ordnung geht. Wäre dies allerdings alles, was über ein Werk mit A$AP Rocky, produziert von P. Diddy, untermalt von Pharrell Williams geschrieben werden könnte, dann wäre Famuyiwas vierter Spielfilm wohl ein Epic Fail. Ist er aber nicht. Wenigstens nicht gänzlich. Dafür gibt es nämlich Geeks. Wie Malcolm, Jib und Diggy (Shameik Moore, Tony Revolori und Kiersey Clemons). Die lieben die Neunziger, deren Frisuren, Musik, Klamotten, Eigenleben, Irrsinn. Die ferne Erinnerung an eine Zeit, in der die Hoods weniger einem Labyrinth aus schlechten und schlechteren Wegen glichen; Pistolen zwar schon die Komposition der Straße anfeuerten, die Kids’ Choice Awards aber immerhin auch freudig Schleim spritzten.
Das ist Inglewood in Kalifornien: ein Schwarzenviertel, dem bei einer Suche via Google gleich das Adjektiv „gefährlich“ folgt. Also nicht so toll, wer dort aufzuwachsen und zur Schule zu gehen hat. Noch weniger toll jedoch, wer so wenig in die Maschinerie des Nigga-Hip-Hop-Systems passt wie Malcolm, Jib und Diggy. Malcolm trägt einen Hi-top fade, den typischen Quadrat-Cut der später Achtziger und frühen Neunziger. Jib ist zu vierzehn Prozent Afrikaner, müsste aber eigentlich guatemaltekische Wurzeln haben. Und Diggy? Diggy ist eine Frau. Weil ihr das niemand recht glauben möchte, hat sie daher auch mal blankzuziehen. Alle drei fahren bunte BMX-Räder, spielen in ihrer Band Awreeoh Pop-Punk, pfeifen auf Drogen, hören Mucke über Kassette und Walkman, lernen fürs Leben und fürs College, haben gute Noten und genossen eine gute Erziehung, ob Daddy nun da war oder nicht. O tempora, o mores! Nix mit koksenden, neureichen Bitches und Pimps, die gerade einmal das kleine Abc des Gangstertums aufsagen können. Um Klischees geht es Famuyiwa dennoch.
Indem „Dope“ nämlich eigentlich die fruchtbare Kehrseite der Medaille porträtiert, über schlaue schwarze Kids und ihre Probleme mit weniger schlauen schwarzen Kids erzählt, fügt sich der Film dem Druck etwaiger Coming-of-Age-Eskapisten, deren Hautfarbe im Grunde egal ist. Die Erzählung per se ist es zudem auch – auf eine banale, forcierte Weise, die sich irgendwann von Moment zu Moment schleppt und dabei einige brillante Kerben in die Stilisierungskerbe ritzt. Die letzte Bastion Rick Famuyiwas ist die Gemeinschaft, sind Freunde, die füreinander einstehen, Klans, die sich gegenseitig für Stoff umnieten. Die tumbe Moral, der erhobene Zeigefinger, er steht schließlich ebenso bei Famuyiwa. Dabei ist „Dope“ nur ein Wort, welches viel zu bezeichnen versucht, doch zuvorderst eine Einstellung meint. Auch Malcolm – das ist der Clou der Story – sieht sich gezwungen, über blöde Umwege mit Drogen zu handeln, sie für Bitcoins (hallo, Moderne!) zu verticken und einige noch krummere Dinge zu drehen. Am Spannendsten zeigt diese quirlige und oftmals smarte Wundertüte einer schwarzen amerikanischen Version von Lukas Moodyssons „We Are the Best!“ jedoch, dass es nichts Cooleres gibt als den eigenen naiven Größenwahn. Frustrierend easy.
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