Roy Andersson meldet sich sieben Jahre nach seinem letzten Output „Das jüngste Gewitter“ mit einem neuen Werk in seiner überschaubaren Filmografie zurück und schließt mit „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ seine Trilogie über das Menschsein ab. Dieser hier angewandte Abschluss findet schon früh Begegnungen mit dem Tod, eingereicht in Vignetten starrer Aufnahmen, in denen alles blasser erscheint, je länger es schon auf dieser Erde verweilt, nun verendet. Darüber legt sich in vereinender Abgeklärtheit ein synthetischer, provinzieller Walzer, passend zum stetig desaturierten Interieur einer ermatteten Verlebtheit, mit grotesk-industriellen Hintergründen am Horizont. Die hier auf das Gefühl der Drögheit reduzierte Visualisierung beherbergt dadurch einen schleichend genüsslichen Grad an existenzialistischer Komik, der im Folgenden immer weiter – nicht unbedingt extremer – ausgebaut wird. Das Konzept des Films verfestigt sich nämlich nicht darauf, Fragen über das Leben zu beantworten, sondern dessen absurde Unberechenbarkeit zu pointieren, anhand meisterhaft ausgewalzter Plansequenzen, in denen unter anderem Ziellosigkeit, Spaßlosigkeit beim Verkauf von Spaßwilligkeit, Feindschaft, Sehnsucht und Kraftlosigkeit vorgezeigt und vom freiläufigen Figurenkosmos ratlos entgegengenommen werden.
Je älter jene Hüllen von Menschen hier werden, desto weniger können sie reagieren (wenn sie überhaupt wollen): Denn mit einer Voraussicht auf eine gewisse Euphorie haben die meisten schon längst abgeschlossen, liegen demnach brach vor Konfrontationen der kosmischen Verachtung, dank derer irgendwie alles schief geht oder gleichgültig die Kurve kratzt. In den kleinen staubigen Zellen der Anwohner jenes filmischen Gebietes herrscht nun mal Endstation. Am Telefonhörer nach außerhalb kriegt da jeder nur ein „Es freut mich zu hören, dass es euch gut geht“ raus – ein Satz, der immer noch mal wiederholt werden muss, weil die Verbindung zur Außenwelt bewusst gehemmt ist. Hier geschehen nämlich zudem reichlich surreale Verschmelzungen zur Vergangenheit; kein Wunder bei der hingenommenen Leblosigkeit der Gegenwart. Diese Einschübe von vor Jahrzehnten oder auch Jahrhunderten vergangenen Erscheinungen lassen vergebens, aber mit Hymnen in der Atmosphäre strahlend, einen Pathos auferstehen, der zwar anfangs noch mit Macht und Begeisterung aufzustürmen scheint, aber letzten Endes meist ebenso vor dem uneinigen Szenario des grauen Alltags zusammenbricht.
Die Herzlichkeit zum Nostalgischen bleibt aber weiter bestehen, wenn auch mit einer Bitterkeit dem unausweichlichen Sterben gegenüber – der einzigen vorstellbaren Wiedervereinigung mit dem Bereitsverstorbenen. Das repräsentiert aber auch die Sympathie des Films zur Tristesse, wie er seine Charaktere mit drolliger Selbstverständlichkeit agieren lässt, aus ihren misslichen Lagen trotz weiß-geschminkter Gesichter und straffer Anzüge eine warme Verletzlichkeit der Gefangenschaft herbeifördert und diese wiederum doch noch mit einer Rhetorik des unbeeinflussbaren Weitermachens auflöst. Nicht gerade eine ideale Lösung für jene Charaktere, aber dann doch ganz bezeichnend für den allgegenwärtigen Mechanismus des Homo sapiens, der zwar mit einem großen Faktor des Leidens ausgestattet ist, aber noch Hoffnung und Liebe in sich hat. Obwohl er diese zwar eher in der Jugendfrische aufblühen lässt, aber selbst in einer derartigen Gegend noch existiert, unabhängig von Vergangenheit oder Gegenwart – die Zukunft schreitet unbeirrt voran, auch wenn sie in jenen Bildern Anderssons eine gewisse Weile braucht, um überhaupt irgendwo anzukommen. Das Leben ist nun mal größtenteils ein Krampf ohne Ende. Aber schon erstaunlich, wie irre es dabei zugehen kann: selbst im Schneckentempo eines halben Zombie-Daseins.
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