Aleksey Germans posthum fertiggestelltes Werk Es ist schwer, ein Gott zu sein“ ist eine erklärte Herausforderung über den Tod hinaus und prügelt von einem haltlosen Paralleluniversum auf den Zuschauer ein. Dabei ist jener bemühte Schöpfer, der sogenannte Don Rumata (Leonid Yarmolnik), offenbar ein wahrhaftiger Erdling, der jedoch auf einem Planeten gelandet ist, welcher einer unfassbar grotesken Variante des Mittelalters zu entsprechen scheint. Was er dort wie und warum genau treibt und wie die Machtkämpfe untereinander mit dem Orden sowie anderen Institutionen des bizarren Gesellschaftssystems ablaufen, hat man zwar ständig vor Augen im knapp dreistündigen Detail – diese jedoch bei der ersten Sichtung kognitiv und sinnig herauszukristallisieren, dürfte selbst für den erfahrensten Zuschauer ein problematisches Unterfangen darstellen.

German entwickelt nämlich in schlagartigen Plansequenzen trotz aller Ruhe der Kamera ein Chaos in Bild und Ton, bei dem sich alles zum Kontakt des Konflikts zusammen kraucht, permanent im Schlamm wühlt, seine körperliche Hülle an- und auskotzt, schwitzt und glotzt. Dabei wird aber auch nicht gerade eine Hysterie in die Welt geschrien wie bei Andrzej Zulawski, eher kann man die Verdichtung der stets kommenden, neuen Eindrücke mit Alejandro Jodorowskys „Der heilige Berg“ vergleichen. Nur eben, dass German selbst im Vergleich dazu keine Anstalten macht, dem dramaturgischen Ziel einer eventuellen thematischen Erleuchtung zu folgen. Stattdessen perfektioniert er den Räudenfilm, steigt tief hinab in ein keifendes Elend des Drecks, aus dem sich alle Sekrete von Mensch und Tier über die Landschaft ergießen: Blut, Gedärm, Scheiße, Rotze, Milch, Urin – fürs gute Glück auch mal Vogeldung aufs Haupt, während am Boden in den Pferdeäpfeln gefummelt wird.

Ohnehin lassen es die garstigen Gesellen mit oder ohne Rüstung nicht aus, sich mit allem Gebotenen einzuschmieren – wer im Dreck lebt, greift eben im natürlichen Einklang zu dessen omnipräsenter Nähe. Nur eben eine bestimmte native Flüssigkeit des Humanen bleibt aus: nämlich das Sperma. In einer Welt, die jedoch jenseits der Fruchtbarkeit agiert und die sexuelle Erquickung trotz Bemühungen im Keim erstickt und zudem mit fatalen Verstümmelungen durch hölzerne Phallus-Kolosse bestraft, wäre das Fortbestehen durch diesen Lebenssaft auch gar nicht mal so wünschenswert. Fraglich ist, ob der scheinbar selbst erklärte Gott Don Rumata diesen Ansporn überhaupt weiter verfolgen will oder ob er mit seiner eisernen Klaue exzessiv dem Ende entgegen wandelt und dabei zum Angriff, gleichzeitig mit und gegen alle, ansetzt. Seine entschiedene Verlorenheit findet German jedenfalls in einem bestialischen Spiel mit der Kamera, die nicht selten als Beobachter anerkannt wird und mit einer Fülle an Handlungen zur Desorientierung bewegt werden soll.

Hier äußert sich ein genauestens durchorganisiertes Terrain voller um sich schmeißender Überraschungen in jedem Moment, selbst in der Dunkelheit und im Nebel auf stets befremdlichen Pfaden von Verkommenheit, derber Sprache und körperlicher Brutalität wandernd. Dieses Loch ist seine eigene kleine Apokalypse, die sich da neben unserer Zeit manifestiert und keineswegs auf eine Auflösung in Idealen und Hoffnungen hinarbeitet, welche wir nachvollziehen könnten. So wenig schlüssig sie sich dem Zuschauer preisgeben möchte, so schwierig fällt es auch dem Erdenautor dieser Zeilen, die Erfahrung der Gebrüder-Strugatskiy-Adaption in adäquate Worte des Verständnisses zu fassen. Und dass, obwohl sich Germans Film als direkter, unablässiger Angriff auf die Sinne versteht, sich mit aller Macht vor die Linse schnallt und jede Nuance seiner Welt zur Schau stellt. Das ist aber nun mal auch anstrengende Arbeit: jene faustdicke Beobachtung in Schwarz-Weiß.

In dieser krassen und erschöpfenden Offenheit findet sich allerdings auch ein Mehrwert für eine eventuelle Wiederbegegnung. Ständig erblüht der Wunsch nach einem Fokus auf andere Ebenen in jenem von Grund auf erbauten Kosmos der Widerlichkeit, der in seiner Sinnesattacke nur wenige individuelle Pausen oder besonders herausstechende Momente zulässt. Sein Gesamtkonstrukt bar jedes Kompromisses und einfacher Lösungen zeugt dabei von epochalen Dimensionen ohne etwaigen Pathos. Denn Siffigkeit kennt keine Ehre – nur die eigene Wahrheit und den Genuss zum Biss ins Fleisch und in den Augapfel. „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ versteht sich als reißender Virus; als aufdringlicher Blick in ein menschliches Scheißhaus, das seine Innereien letztendlich auch nicht verstehen kann oder will, in ihnen aber lustvoll rumrührt und dabei vor Faszination trieft.

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