Ein Wimpernschlag entzündet die fürstlich bonbon-gestärkte Welt. Es protzt, funkelt, klimpert, während sich derweil Fürstin Gracia Patricia von Monaco (man ergänze hinlänglich die Gesamtheit all ihrer Titel) rekelt, windet, sich eine Träne löst, eine weitere folgt und beide die perfektiös blasierte Wange herunter fließen. Das Lächeln – in Olivier Dahans „Grace of Monaco“ rotiert es um pure, desaströse Glückseligkeit. Da es jene Glückseligkeit hier jedoch nicht oder in völliger Gravitation gibt, ist allein mit den Tränen vorlieb zu nehmen, die immerfort Fassade bleiben: Eine Fassade des erwählten Schweigens und Einfügens in konzipierte Strukturen. Diese Gracia soll Fürstin, Ehefrau und Mutter zugleich sein, aber (wie es in royaler Uneinigkeit wohl grundsätzlich ist) darf nicht sein, was sie war und soll nicht sein, was sie ist. Schauspielerin dafür soll sie nie wieder sein, ob nun ein obskurer Alfred Hitchcock aufläuft oder nicht. Die Tragödie scheint offensichtlich determiniert. So gesehen legt Dahan den Schleier um alles Sicht- wie auch alles Unsichtbare. Was aber bleibt dann noch im Nichts süßlich aufgeblähter, vollmundiger Lippen? Die Antwort, sie lautet entgegen stringenter Erwartungen: Nicole Kidman. Obwohl im Vorfeld bereits als herzlich deplatziert in der Rolle der Gracia verschrien (was letztlich nicht abzustreiten ist), karikiert sie dennoch die zuckrige Staffage mit gewiss eckigem, aber schäumenden Spiel. Zumindest ist ein Bemühen erkennbar, entlang dessen Dahan einen Aufbau hätte wagen können. Aber wie die Liebe und das Leben, so nicht immer der Film.

Vielmehr Zweifel löst kontinuierlich Arash Amels despektierliches Drehbuchkonstrukt in mannigfaltigen Variationen von Scham und manchmal zugleich Momenten höchsten Desinteresses aus. Allein die eindimensionale Narration schwirrt um einen Fokus europäisch-französischen Politikgeplänkels, in dem schließlich der damalige Präsident Frankreichs, Charles de Gaulle, aus Not und unter dem Charme Gracias einen von ihr initiierten Ball besucht, der das kleine Fürstentum doch retten soll (in Wahrheit blieb er diesem übrigens fern). Gewiss mögen die realen Verstrickungen um Monacos steuerfreie Zone und Frankreichs Abneigung dagegen (es geht um mehr noch als um Geld!) genügend Zündstoff für ein Köfferlein Brisanz gesorgt haben – mit der unstillbaren Offensiv- und Aggressionseinfältigkeit fiktiver Kultur (inklusive schmackiger Ohrfeige) sollte das filmische Trauerspiel dennoch niemals einleiten und abschätzen, ob und inwiefern Gracia die neu zugestandene, aber immerhin selbst erwählte Rolle hinzunehmen vermag. Vielmehr zu greifen ist Regisseur Dahans exquisite Seifenoper unter choralen Klängen und freudlos banaler Kinematografie sowieso, wenn man möglichst jedweden Gedanken an Relevanz oder stimmige Dramatik hinfort schlägt und Nicole Kidman mehrfach und deutlich über-sekundenlang in die tränigen Augen blickt. Dort scheint das Leben in erkühlten Facetten und erweiterten Pupillen so hauchzart hindurch, dass der Traum am Mittelmeer unter Palmen und pompöser Infantilität eine Realität entwickelt, die „Grace of Monaco“ äußerst treffend als Eröffnungsfilm für die Filmfestspiele in Cannes gedeihen lässt.

Denn als obskur pittoreskes Etwas ohne einen tieferen oder gar tiefschürfenden Sinn, der sich nicht entfaltet, weil er schlicht nichts zu entfalten hat (vielleicht allemal Tim RothsHände, die immerzu in seinen Hosentaschen lungern und dabei die staatstragenden Geschäfte des Fürsten Rainier verkörpern sollen), meint es Dahan in kompetenter Frucht- und Fleischlosigkeit sichtlich ernst mit dieser Parabel um ein Märchen, dem schließlich nur noch das weiße Roß und ein zündendes Tontaubenschießen fehlt. Das Prinzip von völliger Egalität dem Gezeigten gegenüber in holder Perfektion. Aber vom Trauer- zum Lustspiel und wieder zurück scheint es dann doch ein rasanter Ritt zu sein. Zumindest für Nicole Kidman – milden Buhrufen nach der ersten Vorführung in Cannes zum Trotz.

Meinungen

Teile uns deine Meinung zu „Grace of Monaco“ mit. Die Angabe eines Namens, einer korrekten E-Mail-Adresse sowie der Kommentartext sind verpflichtend. Alle Meinungen werden moderiert.

Kinostart: 14.09.2017

Mr. Long

In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Kinostart: 27.07.2017

Django

Étienne Comars Debüt eröffnet mit einem Porträt über Django Reinhardt die 67. Berlinale.

Kinostart: 06.04.2017

Tiger Girl

Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.

Kinostart: 09.03.2017

Wilde Maus

Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Mr. Long

Sabu, Japan (2017)

Zerbrochene Leben und einstürzende Neubauten: In seiner neunten Berlinale-Teilnahme schickt Sabu Rindersuppen in den Wettbewerb.

Wilde Maus

Josef Hader, Österreich (2017)

Selbstmord durch gefrorenes Wasser: Josef Haders Debüt als Regisseur ist ein harmloser Film über Kommunikation und Schnee.

Occidental

Neïl Beloufa, Frankreich (2017)

Italiener trinken keine Cola! Neïl Beloufa verzettelt sich in seinem chaotisch-absurden Kammerspiel-Debüt.

Tiger Girl

Jakob Lass, Deutschland (2017)

Freiheit durch Reduktion: Jakob Lass’ dritter Langfilm zeigt erneut befreites, deutsches Kino basierend auf einem Skelettbuch.