Diese Kritik enthält handlungsspezifische Spoiler, die sich aufgrund der Thematik – und späteren Interpretation – des Films nicht vermeiden ließen.

„What if the eye really is some kind of window to the soul“, verkündet die junge Nachwuchsbiologin Karen ihrem Kollegen Ian. Eine bahnbrechende These. Denn gemeinsam forschen sie gerade an der Evolution des Auges. Wie kann ein neuer Sinn einfach so entstehen? Was ist der Ursprung des Auges? Die Kernaussage, dass das Auge der Schlüssel zur Seele sein könnte, zeigt bereits, dass diese beiden Biologen über die Grenzen der Wissenschaft hinausgehen. Gott vs. Darwin? In „I Origins – Im Auge des Ursprungs“ spielt Regisseur und Drehbuchautor Mike Cahill mit dem Widerspruch – oder gar der Synthese? – von Rationalität und Spiritualität.

Faszinosum Iris: Der nüchterne Wissenschaftler Ian, gespielt von Michael Pitt, studiert Tag und Nacht Augen. Im Labor, zu Hause und auf Partys. So lernt er eines Abends das wunderschöne französische Model Sofi (Astrid Bergès-Frisbey) kennen. Ihr Gesicht ist verhüllt von einer Maske, zu sehen sind nur ihre Augen – nicht mehr. Ian ist sofort hin und weg. Die beiden verbringen die Nacht miteinander. Doch am nächsten Morgen ist Sofie verschwunden. Ian kann sie nicht vergessen. Doch auf einmal blickt er erneut in diese faszinierenden Augen. Doch dieses Mal zieren sie ein riesiges Werbeplakat für Maskara. Eines ist klar: Er muss sie wiedersehen. Natürlich schafft er das auch. Ein zufälliges Wiedertreffen in der U-Bahn, der Beginn einer intimen Romanze im hippen Brooklyn, dann die spontane Verlobung. Eine Amour fou ist entbrannt. Aber der Schock naht: Sofie ist auf einmal weg. Privates und Berufliches, Emotionalität und Wissenschaft scheinen unvereinbar. Ian bleibt vorerst nur noch seine Arbeit.

Nur wenige Jahre später dann die große Überraschung: Ian ist jetzt verheiratet, mit Karen (Brit Marling), seiner Forschungskollegin, und sie erwarten ihr erstes Kind. Eines Tages sitzen sie gemeinsam zu Hause. Sie singt vor sich hin. Er sitzt vor dem Computer und stöbert durch alte Bilder. Dann laufen ihm – dem kühlen Wissenschaftler – die Tränen übers Gesicht. Alte Bilder von Sofi, seiner großen Liebe. Ian ist noch immer nicht über sie hinweg. Er kann sie nicht vergessen. Ein intimer und rührender Moment, der von all dem Poesie-Wissenschafts-Spektakel ablenkt. Jedoch dauert er nur kurz. Zu kurz – denn schließlich sind Ian und Karen immer noch Biologen. Sie haben eine Spur, die alle bisherigen Kenntnisse widerlegen könnte: In Indien taucht ein junges Mädchen mit den exakt gleichen Augen wie Sofi auf. Ein Zufall? Ein genetischer Fehler? Oder gar eine Wiedergeburt? „I Origins“ nimmt eine sehr spirituelle Wendung, entfernt sich vom hippen Brooklyn in das chaotische, mythische Neu-Delhi. Auf den Spuren des Auges und dessen Ursprung.

Die Verbindung von Auge und Seele war bereits seit den Anfängen des Films ein wichtiges Leitmotiv. Das meist zitierte Beispiel ist die Rasiermesser-Szene aus Luis Buñuels „Ein andalusischer Hund“. Die scharfe Klinge wird direkt an den Augapfel angesetzt und in einer Aufnahme später aufgeschlitzt. Alles stilisiert und verfremdet natürlich. Diese Metapher wurde seitdem von unzähligen Regisseuren aufgegriffen. Ob in „Psycho“ oder „Blade Runner“, „Uhrwerk Orange“, Sergio-Leone-Western. „I Origins“ geht jedoch in eine neue, sehr poetische Richtung. Es entsteht eine Symbiose aus Sci-Fi-Liebesdrama und philosophischem Gedankenspiel, das ab und an mehr Wert auf Kinematografie und Ästhetik legt als auf Plot und Figurenentwicklung, was Mike Cahill beziehungsweise „I Origins“ bereits den Spitznamen Hipster Malick eingebracht haben. Das mag für den einen ein Lob, für den anderen ein Hauch von Kritik sein. Aber eines ist unumstritten: Diese Referenz unterstreicht Mike Cahills besondere Herangehensweise und seinen individuellen Stil, mit den aufwendigen Kameraeinstellungen von Markus Förderer, seine komplexe Filmsprache auch auf Bildebene umzusetzen. Ganz in Einklang mit dem Kernsatz des Films: Die Augen sind das Fenster zur Seele.

Meinungen

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