Hauptmann Gunnar Dinesen (Viggo Mortensen) stapft durch das Unterholz nahe der Patagonischen Küste; seine Tochter fort, sein Herz schwer, seine Erinnerung trüb, aber einheitlich wie der Rahmen mit abgerundeten Ecken, in dem der Mann vom nahezu quadratischen Format in die Fiktion schwindet. Ein Schlaraffenland soll es sein, wo er landete, sich entdecken und positionieren könnte. Stattdessen rafft ihn die Fantasie nieder, während um ihn die „Kokusnussköpfe“, die Ureinwohner, rotieren. Das Paradies heißt im Spanischen auch Jauja. Und „Jauja“ ist ein wundervolles Werk unter jenen mit einer Hand abzählbaren Filmen, die zu gerne wissentlich auf Halde liegen, sich bis aufs Unmöglichste tiefstapeln und den Zuschauer letztlich im Verdruss beglücken, der länger als mehrere Sichtungen und sogar länger als mehrere Wochen anhält. Lisandro Alonso prüft mit schwereloser Barbarei, was sich in diesem Medium noch binden und was sich lösen lässt, was sich klären sollte und unausgesprochen vielmehr exzentrisch bleibt. Weil er eine Machete immer wieder in die Rinde des Visuellen schlägt und den dabei empfundenen, zunächst geringen Unterhaltungstrieb bis in die Besinnungslosigkeit tanzen lässt. Wieso dieser Film wirkt, wie er wirkt? Die Frage stellt sich – und stellt sich doch bald nicht mehr.

Denn „Jauja“ haftet im Unterbewusstsein, bis es müßig ist, überhaupt noch über ihn zu sprechen, weil er bereits vergangen ist, als er stattfindet. Aber dieses Stattfinden divergiert mit der Erzählung eines normierten, dynamischen Narrativs. Allein, dass jener Text nach über sechs Monaten des Zweifels überhaupt eine Öffentlichkeit erblickt, steht für das Gefühl, welches Alonso als merkwürdiges Zwiegespräch zwischen sich und uns wie einen Wirbelsturm ins Gedächtnis schlägt. Als Leitmotiv gibt sich höchstens die Existenz eines Beschützers zu erkennen, welcher in Form einer Holzfigur die Zeit überdauert, während Dinesen die neue Heimat lediglich noch als „Scheißland“ tituliert und in einer alternativen, offensichtlich modernen Realität seine Tochter einen Gefährten findet, den ihr Vater schon kannte. Die letzte Konsequenz ist die Absorption der Metapher. Bei Lisandro Alonso war dies schon immer so. In „Jauja“ verliert Dinesen erst seine Sprache, weil er seine Tochter verlor. Aber er findet beides nicht wieder. Was für ihn nichts mehr bedeutet.

Meinungen

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