Wenn ein etablierter Regisseur im Grunde dreimal denselben Film dreht, sollte jede kreative Integrität durchaus hinterfragt werden. So kehrt Terrence Malick mit „Knight of Cups“ in überraschungsfreier Montur zurück und variiert sein filmisches Credo durch schwebende Bilder und einen assoziativ erklärenden Voice-over nun für die Erwachsenenwelt des Showbiz. Vormals wirkte derselbe Ansatz in „The Tree of Life“ als pathetische Kindheitsaufarbeitung, kurz darauf folgte die Betrachtung der Liebe in „To the Wonder“, welche ebenfalls in einen universellen Sinnestaumel fiel. Hoffen wir, dass er hiernach jenen Kosmos der verträumten Reflexion verlässt und wieder ins reale Leben zurückfindet, mit dem er bereits am Anfang seiner Karriere fesseln konnte. In diesem Fall verliert sich Malick nämlich erneut in wahllos aufgegriffenen Eindrücken und Schauspielern, deren eigene Motivation unbekannt ist. Daher entsteht trotz Emmanuel Lubezkis hochklassiger Optik eine visuelle Redundanz, bei der man sich wundert, wann endlich Film zustande kommt.

Denn indem Malick das reiche, leere Leben seines Protagonisten Rick (Christian Bale) erfasst, über dessen trivialen Alltag, seine Unfähigkeit zu Glück und Liebe meditiert, erschafft er nur wenige Anhaltspunkte, die eine emotionale Verbindung schaffen – ein Umstand, den die Vorgänger vermeiden konnten. Was hier als Charaktermomente gelten sollen, sind höchstens Versatzstücke vorheriger Ensembles. Allen voran die Drei(un)einigkeit zwischen Rick, seinem Bruder Barry (Wes Bentley) und seinem Vater Joseph (Brian Dennehy) porträtiert einen familiären Konflikt, der zwar künstlich-rudimentär bleibt, aber dennoch wie ein Schatten über dem Film hängt. Dieser verkündet unmissverständlich: Mein Sohn, was hast du nur mit deinem Leben angefangen; sieh doch ein, dass du mehr schaffen könntest. Der religiöse Ton solcher Botschaften kommt auch hier nicht von ungefähr; als Beilagen gibt es dazu klassische Orgel-Töne und Armin Müller-Stahl als Priester – eines der vielen berühmten Gesichter, welches genauso plakativ eingesetzt wie schnell verheizt wird.

Doch ebenso die Geheimnisse des Tarot machen ihre Aufwartung als spirituelles Ventil, womit sich im Verlauf dank Kapitelaufteilung und breit erklärter Reminiszenzen zum vergangenen Orient ein religiöses Gleichnis aufspannt. Bei dem geht es im Grunde aber eher darum, welche Frau zu Rick und seiner befremdlichen Sehnsucht zum Strand passt. Ansonsten würde ihm nur das sinnbefreite Leben in Saus und Braus bleiben, das zwischen Los Angeles und Las Vegas genau die gängigen Bilder der Dekadenz anbietet, die in ihrer Blässe doch gerne mal zum Himmel schauen wollen. Dies wird ohnehin der Modus Operandi Malicks, welcher die Einfallslosigkeit seiner Figuren derartig genügsam einfängt, dass der Blick hinunter zu Obdachlosen, Hunden und normalen Menschen bedeutungsschwanger stilisiert wird, bis durchweg Gleichgültigkeit herrscht: Rick schaut, wie etwas außerhalb seiner Kontrolle oder Einsatzbereitschaft passiert; darüber liegen wahlweise Stimmen des Vorwurfs oder der Sinnkrise sowie der Einsatz von Edvard Griegs „Ase’s Tod“. Kalkuliertes Kunstverständnis ahoi! In gewissen Abständen könnten derartige Montagen Eindruck hinterlassen – bei Malick hingegen ist jene Methodik allgegenwärtig und in ihrem narzisstischen Ernst am Rande der Lächerlichkeit.

Was man aus ihr erfährt, lässt sich schon innerhalb der ersten zehn Minuten entschlüsseln und geht im Verlauf der gefühlt drei Stunden Laufzeit nie über sich selbst hinaus, womöglich auch Menschen mit Möglichkeit zum Mitleid wirken zu lassen. Stattdessen bleiben philosophische und theologische Säulen voll lethargischer Dialoge, an denen man wenig teilnimmt. Hier und da ein bisschen nackte Haut, eine Zeitrafferreise durch nächtliche Straßen und Besuche in Stripklubs – doch das Gesamtkonzept leerer Menschen in leeren Leben bleibt auch als filmische Erfahrung leer. Anachronistische Sequenzen des Reichtums und dessen verschlossener Zwischenmenschlichkeit sowie abstraktes Gesprächsgut allein können nun mal keine Tiefe oder Bewegung erzeugen, wenn keine Kontraste oder gar Beobachtungen jenseits der Oberfläche passieren. Schlimmer noch: Es bleibt kaum Raum, um als Zuschauer das Innere oder nur die Bilder erforschen zu wollen, so eindeutig und künstlich jeder Zusammenhang aufgetischt wird – und das, obwohl der Film, auch explizit in seinem letzten Kapitel, nach Freiheit strebt. Er versteift sich jedoch in Strukturen seines Autorenfilmers und läuft ausschließlich in die Redundanz. Ein Kino fern vom Leben, das einem zugleich die schwierigen Gefühle des Lebens nahelegen will, ist eben, nett ausgedrückt, arg spät dran.

Meinungen

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