Robert Clouse – ein Mann, ein etwas unscheinbarer Name. Doch hinter diesem Namen verbirgt sich zufällig derjenige, der Bruce Lees weltweite Karriere entfachte („Der Mann mit der Todeskralle“) und gleichzeitig maßlos beschämte („Mein letzter Kampf“). Einer seiner besten Filme ist allerdings „Night Eyes“, wie die Arbeiten mit Lee eine Golden-Harvest-Produktion, die das Genre des Rattenhorrors in der großen Stadt – in diesem Fall Toronto – anwendet. Und was für Ratten das sind! Eigentlich sind es – ganz nach dem Formate der Home Movies in „Frankenweenie“ – Dachshunde in Rattenkostümen, die stets in Rudeln durch die Kanalisation laufen und Menschen aus dunklen Ecken angreifen. Ein Anblick, der immer wieder aufs Neueste amüsiert; ganz zu schweigen von den Nahaufnahmen voller Rattenpuppenköpfe, die im Grunde bereits Golden Harvests Turtles-Filme vorwegnehmen, aber noch kruder wirken. Ihre Präsenz besitzt auf jeden Fall jene altbackene Jumpscare-Qualität, die in ergiebigen Szenerien ohne Wenn und Aber mit Gebrüll zuschnappt. Chaos, Geschrei und Kunstblut durch nagende Handpuppen sind da an der Tagesordnung.
Clouse kennt sodann keine Scham darin, bereits am Anfang Mitglieder des Ensembles draufgehen zu lassen, die normalerweise vor jenen Schmatzfesten gerettet werden. Strukturell gesehen hat dieser Tierhorror aber ohnehin einen Hang zur Identitätskrise: Zunächst führt er uns in die Beziehungskiste einiger Teenager ein, von denen Trudy (Lisa Langlois) keinen Gefallen mehr an ihrem dumpfen Beau Matt findet und stattdessen Collegebasketballcoach Paul Harris (Sam Groom) schöne Augen macht, weil der einfach anspruchsvoller ist. Obwohl sie ihm ein unwiderstehliches Angebot macht, bleibt er aber standhafter Profi. Wem kauft man diese Entwicklung eher ab: „Night Eyes“ oder „Irrational Man“? Clouse (der zugegeben kein Woody Allen ist) schafft es mit seinen Charakteren innerhalb des Genre-Rahmens aber tatsächlich, Glaubwürdigkeit zu vermitteln, da diese schon anhand ihrer exakt besetzten Präsenz und einem einigermaßen natürlichen Dialog zur Sympathie anregen. Wohl auch, weil Clouse nicht ständig Funktionsabsichten an ihnen herausstellen will, sondern mit links Menschen in ihrem Alltag zeigt. Entsprechend beiläufig tritt Gesundheitsinspektorin Kelly Leonard (Sara Botsford) auf den Plan, die zur Sicherheit ein kontaminiertes Silo abbrennen lässt, was den Ratten so gar nicht gefällt.
Clouse hält für diese stets kurzweilige Mordeinsätze bereit, etabliert aber mit leichtfüßiger Ader im Verlauf eher die anbahnende Mittvierzigerliebe zwischen Paul und Kelly, die von den eingangs eingeführten Teenies ablenkt und auch ein Stück weit den Ratten die Show stiehlt. Das neue Paar lässt gemeinsam Maßnahmen gegen die Seuche von unten einleiten, verbringt aber auch angenehme Stunden im Stadtpark zur Winterzeit, während im Untergrund an Leichen geknabbert wird. Eine dramaturgische Spitze offenbart sich, da Trudy nicht locker lassen will, ihren Schwarm Paul in Bedrängnis bringt, obgleich dessen Verhängnis keine allzu überakzentuierten Reaktionen fördert. Da punktet Clouse erneut mit einem Understatement, der umso wirksamer mit dem kuriosen Heißhunger der Nager konterkariert wird. Eine Fülle an Reaction Shots der Gebissenen in Großaufnahme geht mit genussvollem Terror in die Vollen, Clouse begibt sich dafür sogar zeitweise zur Brutstätte des Eskapismus und lässt Ratten unter die Kinositze jagen, als hätte er William Castle beim Wort genommen.
Schließlich fährt die Handlung auf die Eröffnung einer neuen U-Bahn-Linie zu – der Bürgermeister ist auch zugegen und alle freuen sich, die angekündigte Gefahr ignorierend. Als ungebetene Gäste bringen unsere pelzigen Freunde aber großen Hunger mit – und da zahlt sich die fokussierte Lovestory aus, wenn man bedenkt, wer alles in Gefahr gerät und im explosiven Finale landet. Nicht, dass man wirklich mitfiebern würde, dafür steht insgesamt nicht viel auf dem Spiel und mit dem Erscheinungsbild der Ratten ist überhaupt jeder Ernst über Bord geworfen. Umso schöner kann sich „Night Eyes“ als unbedarfter Horrorfilm herausputzen und unterhalten, obgleich er sein Gore und seine Nudity eher inmitten einer netten, kleinen urbanen Romanze einordnet, bei der man(n) das Fertigfutter sogar aus dem Ofen holt, wenn eine angenehme Bekanntschaft vom Vormittag noch zum Abendessen einlädt. Coach Harris hat eben den Schlag weg, auch wenn er ein alleinerziehender Vater mit abgeklärtem Charme ist. Aber auch schon selten genug, dass einem die Charaktere in einem Rattenfilm jucken – wenn er das hinkriegt, schafft es Woody schon lange!
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