Richard Williams, der obsessivste Zampano des traditionellen Animationsfilms, fährt Pfeil und Bogen, Äxte und Schilde, Blutfontänen und Genitalwunden auf – und stellt zur Schau, dass Trickfilme nur Papier und Stift benötigen, um Kunst zu sein. Der Titel seines neuesten und womöglich letzten Werkes klingt demzufolge wie ein Vermächtnis; denn „Prologue“ heißt es, und nichts als ein Prolog ist es. Doch Williams, Baujahr 1933, säbelte und spitzte die vergangenen zwölf Jahre, damit wenigstens dieser Prolog noch fertig würde, wenn auch seine größere Vision nicht mehr. Sein Swan Song entpuppt sich als sechsminütiges, martialisches Gefecht zwischen zwei Spartanern und zwei Athenern, beobachtet aus der Perspektive eines Mädchens, das ihren Schrecken in aufgerissenen Augen preisgibt. Ein marginaler Rahmen, inspiriert von Aristophanes’ griechischer Komödie „Lysitrata“ (derer sich kürzlich auch Spike Lee in „Chi-Raq“ bediente), zu mehr geschaffen, als Williams zu präsentieren bereit ist.

Aber wie wundervoll, wie größenwahnsinnig und perfektionistisch das kanadische Enfant terrible einem wütenden Stil Ausdruck verleiht, der rast, schwebt und kreist, dem jedes Bild und jede Drehung, jeder Schwenk und jede Bewegung eine Seite wert ist. Kein Wunder, dass sich Williams’ „Der Dieb und der Schuster“ über dreißig Jahre in Produktion befand, bis Warner Bros. und später Miramax seine Bestie ad acta legten und mit biederen Workprints zu geißeln versuchten. „Prologue“ zeigt endgültig, dass der unabhängige Querkopf kein Disney-Klon ist und keine Money machine, sondern ein Meister alter Schule, der immer noch Pionier sein kann, sofern er zu sich findet. Denn Williams mangelte es nie an Können – nur an Zeit und duldsamen Geldgebern. Demzufolge platzt sein barbarischer Kampf vor Zorn und Groll, vielleicht auch einem System gegenüber, das ihn nie hat machen lassen, vielleicht sich selbst gegenüber, dem er vierundzwanzig Mal pro Sekunde beweisen muss, welche Akribie in ihm steckt, und wie schwer ihm jedwede Disziplin fällt.

Sein Oscar-nominierter Kurzfilm ist Resultat jahrzehntelanger Unterordnung. Endlich durfte er sein und zeichnen, wie er sein und zeichnen wollte: ohne Computer, ohne Crew, ohne Celluloid, ohne Schnitt, ohne Geld. Und mit ein wenig Glück ist dies nicht der letzte Atemzug des oft missverstandenen Richard Williams, der ein größerer „Animator“ ist, als er jemals Storyteller sein wird.

Meinungen

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