Basierend auf einer Vorlage von Ray Bradbury steigen Konturen mysteriöser und archaischer Architektur aus der Dunkelheit empor – doch in ihrer Größe findet sich bloß das Ausgestorbene und Leere. Elektronische Mellotron-Flöten und Synth-Flächen hallen Echos vergangener Generationen und Mythen an jenem Ort nach, der sich nicht entschlüsseln lassen will, gleichsam abstößt und fasziniert. Die Kamera schwebt ganz natürlich in diese Regionen hinein, die Sinnlichkeit der Erforschung ist direkt gegeben. Unter der Regie von Elaine Bass und ihrem Ehemann, dem profilierten Grafikdesigner und Filmgestalter Saul Bass, wird dabei ein Maximum an möglicher kontemporärer Technik aufgewendet, um diese irreale Zone greifbar zu machen: Modelle, Rückprojektionen, Animatronics, Matte-Paintings, Zeichentrick und künstliche Lichtebenen. Eben ganz präzise für die folgende Erzählung geeignet, doch in der filmischen Erfahrung eher im Vordergrund angesiedelt. Womöglich stellt diese „Quest“ damit eine Art Effects reel dar, aber zumindest eines, welches die Möglichkeiten cineastischer Umsetzung von Fantasien über ihre Grenzen zu tragen vermag.

So setzt der Film im Folgenden in Relation, dass scheinbare Humanoiden eine Befreiung aus der Finsternis anstreben; daher einen Auserwählten in die Außenwelt entsenden, die ihn innerhalb von sieben Tagen vom Säugling zum erwachsenen Messias formt. Gewisse religiöse Motive bleiben da nicht ungenutzt so wie minimalistische Mono- und Dialoge das entrückte Davonfliegen der Zeit vom Menschen fürchten. Viel mehr allerdings erarbeitet das Bass-Gespann an jenem geradlinigen Narrativ atmosphärische Verdichtung und Verwirklichung. Für den jungen Propheten steht schon schnell ein selbstverständliches Training an, das er kaum verstehen kann, jedoch wie von einer tiefen Masse des Schicksals im Höhlenschlund gesteuert wird. Die Zeit drängt aber auch, ehe die Hoffnung der Menschen hier in der Düsternis verloren geht, im Ungreifbaren aber immer noch etwas übrig lässt. Ein verborgenes Licht führt schließlich in Territorien der Bewährung gegen fremdartige Faktoren – Monstren, Klimata, Distanzen treten an und sollen bezwungen werden.

Das Kind durchlebt Herausforderungen ohne Vorbereitung und muss an ihnen unbeeinflussbar wachsen – umso strenger vollzieht die Unbarmherzigkeit der Zeit den Wandel in die nächsten Stufen der Adoleszenz; ein Aufstocken der Verantwortung. Die Zeit versucht, mit Fortschritt zu bremsen, bis sie doch noch mithilfe von Treibsand einkesselt – ähnlich einer Eieruhr. Die Entfernungen, die dabei überwunden werden, sind jene tiefe Masse des Schicksals, die den Befreier antreibt und zieht – jetzt komplett sicht- und greifbar, audiovisuell mächtig und grotesk-verzweigt. Wir werden genauso von ihr eingenommen, wie der oft nur stumme Protagonist: ein Wanderer der Welten, wie ihn nur das Kino darstellen kann. Schließlich ist Kino unter anderem künstlerische Zeitkapsel und dimensionale Abstraktion zwischen Realität und Fiktion. Wie die Verhältnisse zwischen letztgenannten Ebenen stehen, entscheidet in diesem Fall vor allem das Medium. Der Mensch beziehungsweise Charakter kann dies zumindest konfrontieren, sich anpassen und lernen.

So konstruieren und dekonstruieren Elaine und Saul Bass jene Welten um den darum entlang wachsenden Mann; lassen das Design für sich sprechen, es aber auch nicht vollends entwirren. Nur der Zeit darf der Befreier wieder Herr werden und kann daran seine Menschlichkeit messen wie auch die sonstige, hierin geäußerte Realität. Doch letzten Endes werden die Eindrücke zu einer weiteren Sinnlichkeit montiert und überblendet, die so nur im Innern des Menschen gesehen werden könnte. Er hat die Dunkelheit in sich aufgehellt, doch sein Verlangen und sein Schicksal sind weiterhin nicht greifbar, eben mental ersichtlich. Das Ehepaar Bass entlastet die Fantasie damit schlicht durch eine andere Form, gründet beide jedoch am Medium Film und somit im Menschen. Schließlich sind sie beide Konkurrenten und Partner in der Erfassung von Zeit – diese „Quest“ ist ein prägnantes Beispiel dafür.

Meinungen

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