John Lee Hancocks vierter Spielfilm „Saving Mr. Banks“ ist ein lauer Film über die schwere Geburt der Unterzeichnung für die Verfilmungsrechte von P. L. Travers’ Erfolgsromanen der „Mary Poppins“-Reihe. Walt Disney (Tom Hanks) versprach seinen Töchtern bereits in den vierziger Jahren, das magische Kindermädchen zu adaptieren, Travers (Emma Thompson) aber hielt nichts von den animierten Disney-Filmen, sodass sie mehr aus Geldmangel 1961 von London nach Los Angeles fliegt, um sich mit dem goldschweren Mann, der stets seine Versprechen hält, zu treffen. „Mary Poppins“ ist nicht nur irgendein Roman für die Australierin, er ist Teil ihrer Seele, ihrer Vergangenheit und ihrer Liebe zum alkoholkranken Vater. Doch diese innere Verbundenheit trägt sie wie einen Schatten durch die Welt, einen Schatten, der sie stets verfolgt und den sie verweigert, ans Licht zu bringen, weshalb sie so empfindlich auf die Ideen der Sherman Brothers, die das Werk zu einem Musical machen, und des Drehbuchautors Don DaGradis reagiert.

Allgemein beschäftigt sich der Film mit der Frage, was der Prozess der Verfilmung im Schriftsteller auslöst und wie viel eines Werkes durch die Adaption verloren geht. Fast nie sind die Schreiber mit den filmischen Resultaten glücklich, das zeigt die Filmgeschichte nicht nur im Falle von durchschnittlichen Verfilmungen wie Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ durch Wolfgang Petersen, sondern auch bei grandiosen Meisterwerken wie Stephen Kings „The Shining“ durch Stanley Kubrick oder Stanislaw Lems „Solaris“ durch Andrei Tarkowski. Die Fantasie des Autors kann nicht eins zu eins bebildert werden und jedes kleinste, lieb gewonnene Detail kann ausschlaggebend sein, dass Enttäuschung dominiert. Wenn Travers ihre eigene Geschichte verkauft – Mary Poppins ist durchaus als eine Art Alter Ego zu sehen –, verkauft sie sich dann selbst, verkauft sie ihre nostalgischen Gefühle, ihre Fantasie? Sie musste sich ein Stück weit von ihrem geheimen Bezug zum Inhalt trennen, um den Amerikanern zu verdeutlichen, inwiefern sie hin- und her gerissen ist zwischen der Geldquelle, die ihr Disney garantiert, und der Preisgabe ihres niedergeschriebenen Lebens. Denn der titelgebende Mr. Banks ist nichts anderes als ein Alter Ego ihres geliebten Vaters.

Hancocks visueller Anspruch ist hoch und konsequent, opulente Kamera- und Kranfahrten in Rahmen bildender Symbolik von australischer Natur und den Palmen von Hollywood gefallen und zeigen einmal mehr die stolze Selbstdarstellung der Vereinigten Staaten von Amerika. Sei es das Disneyland in Anaheim, die Walt Disney Studios in Burbank oder das übertriebene Merchandising bzw. die Übersättigung an Walt-Disney-Geschenken und -Torten: Bei aller Mühe und allem Verdienst bleibt dieser Konzern eine opportunistische Geldmaschine in Mickey-Mouse-Verkleidung. Gerade dies kommt in „Saving Mr. Banks“ gut zur Geltung, unabsichtlich oder absichtlich protzend sei dahin gestellt. Clever ist das Drehbuch auch, denn Walt Disneys Person wird nicht unbedingt als fehlerloses Vorbild gezeichnet, was einige Szenen wie beispielsweise die nüchterne Erklärung Disneys zeigen, dass Travers nicht zur Weltpremiere des Filmes eingeladen werde, weil er Angst vor ihrer öffentlichen Meinung habe. Doch eigentlich ist das keine ernst zu nehmende Selbstkritik, sondern ein Ausgleichspflaster, was Disney im Sinne von „Errare humanum est“ noch menschlicher macht, also sympathischer für einige Menschen dieser Welt.

Die Zusammenarbeit an der Verfilmung kostete sowohl Disney, seinem Team, als auch Travers einige Nerven. Doch wie im Film dargestellt, war Travers wohl in Realität kaum so eintönig, unzufrieden und melancholisch. Ihr Charakter wird ausschließlich durch ihre Vergangenheit in Form von öder werdenden Erinnerungen gezeichnet, ihr wird die Freude am Leben abgesprochen und in redundanter Art und Weise als unerträglich dargestellt, vermutlich nur aus dem absolut nachvollziehbaren Grund, die goldene Scheinheiligkeit Amerikas nicht zu unterstützen. Auch wenn Emma Thompson und Tom Hanks solide bis sehr gute Leistungen abliefern, verliert der Film nicht den faden Beigeschmack, wieder nur eine reine Selbstdarstellung zu sein, und erneut den Verkauf von Disney-Artikeln, -Filmen, insbesondere von „Mary Poppins“ anzukurbeln. Natürlich ist das im Sinne der Autorin, wenn sie den Schritt der Verfilmung gegangen ist, doch ob diese persönliche Geschichte nicht im Sinne der Magie stehen sollte, die sich beim Lesen verbreitet, und nicht in der bedingungslosen Vermarktung, ist weiterhin fraglich und zeigt womöglich überaus evident die innere Zerrissenheit.

Meinungen

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