Es erfordert eine Menge Mut, die Prämisse von „Für immer Adaline“ mit einer derartigen Hingabe umzusetzen, wie es Regisseur Lee Toland Krieger anstellt. Schließlich ist die melodramatische Leidensgeschichte der Titelheldin mit einigen fantastischen Risiken verbunden: So wird die in den Zwanzigern lebende Adaline Bowman (Blake Lively) nach einem Autounfall wie einst Jason in „Freitag der 13. – Jason lebt“ durch einen Blitz von den Toten zurückgeholt und fristet seitdem ein bis in unsere Gegenwart andauerndes Dasein. Dass der Film diesen Umstand der Unsterblichkeit als Grundlage für unerfüllte Sehnsüchte in der Suche nach Liebe und dem Halten dieser gebraucht, erfordert dann ein gewisses Maß an Naivität vom Zuschauer. Er gibt sich aber selbst ein Stück weit die Blöße, indem eine Erzählerstimme versucht, das Märchenhafte mit wissenschaftlicher Theorie sowie esoterischer Hoffnung zu erden – „Interstellar“ nicht ganz unähnlich.
Das funktioniert eher als genüssliche Einfältigkeit, führt den Zuschauer jedoch mit Entschiedenheit in einen Film ein, der sich ehrlich seinem Kitsch nähert. Wohl auch deshalb (und aufgrund der vorteilhaft beleuchteten Weiblichkeit) findet man schnell Gefallen an der ewig Junggebliebenen, die ihr Geheimnis bescheiden verlebt und dieses höchstens als Kennerin antiker Informationen weitergibt. Ihr Charakter geht dabei mit Humor den Highlander-Modus ein und ist schlicht nett, kann aber nur schwer die emotionalen Hindernisse ihrer unglaublichen Körperkraft verdrängen. In Bildern der Vergangenheit ziehen die Welt und ihre Menschen nun mal an ihr vorbei – daher muss sie sich von festen Zukunftsplänen lösen, da sie jeden Verlust wie auch jedes Glück ausnahmslos überlebt.
Für derart tief greifende Gefühle braucht der Film gewiss keinen Erzähler, da Bilder und Score schon behutsam die existenzialistische Tragik Adalines vermitteln. Blake Livelys unschuldige Blicke schauen daher großformatig zu den Sternen oder kämpfen sich in Zeitlupe durch die Gefangenschaft im Wasser, wie auch die sterbenden Augen eines Hundes ihr und uns die Schwere des Unvermeidlichen darlegen. Die Unsterblichkeit wird hier also vom Reiz des Übermenschlichen distanziert und insofern vermenschlicht, dass nur die Todessehnsucht als Lösung wirken kann – eine interessante Dynamik, die sich trotz aller sentimentalen Glorie jedoch nie ganz von ihrem Camp-Faktor trennen kann. Das äußert sich sowohl in Adalines Gesprächen mit ihrer inzwischen greisen Tochter Flemming (Ellen Burstyn), wie auch in der unverhofften Wunscherfüllung in Form von Ellis Jones (Michiel Huisman).
Jener galante Beau versucht sich als neuer Liebhaber und wird selbstverständlich als solcher von Adaline erkannt und erhofft – und das, obwohl sein Aufgebot an Romantik und Flirtgewandtheit recht realitätsfern beglückt. Eben ein Traummann, der sich als Katalysator für kitschigen Eskapismus bereit erklärt, wie auch reichhaltige Zufälligkeiten à la Nicholas Sparks den Geist der Vorbestimmung beschwören – kein Wunder, wo doch Koautor J. Mills Goodloe schon die Adaption von „The Best of Me – Mein Weg zu Dir“ übernahm. So wird der Ernst der Charakterstärke nicht voll ausgeschöpft, dafür allerdings mit einem Unterhaltungswert ausgefüllt, der die Qualität des Stoffes anerkennt. Die Geheimhaltung Adalines weicht daher allmählich einer Verzweiflung, die in der Rückkehr zur Vergangenheit keine Option der Verarbeitung außer Flucht kennt. Das geschieht mit sonnigen Rückblenden wie auch anhand etablierender und somit treffender Dialoge.
Die Dimension der Traurigkeit mag sich dabei nicht vollständig auf den Zuschauer übertragen, da der teils haarsträubende Verlauf des Films vor allem gegen Ende zu lieblich seine Klammern schließt. Doch die Regie Kriegers kennt keine Scham und auch keine Ironie darin, sich dem Sujet trotzdem so ambitioniert wie nur möglich anzuvertrauen und vor allem seiner Titelheldin übergreifende und zeitlose Würde zu verleihen. Das lässt den Film vielleicht größer aussehen, als er eigentlich ist (die verschiedenen Zeitebenen des Lebens von Adaline werden meist nur zweckmäßig angerissen), doch wird er deshalb auch dann besonders schön, wenn er die Verletzlichkeit seines High Concepts verinnerlicht. Da ist leichtgläubiger Schmalz gerne erlaubt, wenn er so ehrlich nach erfüllter Liebe dürstet – witzig wird er da sowieso, doch Zynismus vonseiten des Zuschauers muss er in dieser Konstellation nicht unbedingt befürchten.
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