In diesem Westernsnack durchreisen Kodi Smit-McPhee und Michael Fassbender den Wilden Westen. Eine Reise wie diese signalisiert, dass der Western, unabhängig jenem Gezeter, das ihm sonst vorschnell nachgesagt wird, noch längst kein furztrockenes Gerippe ist. Jedes Jahr beginnt mindestens eine Reise von Neuem, am amerikanischen Gründungsmythos entlang, am Grenzgebiet vorbei, an der sich kläglich entfaltenden Zivilisation, hauptsächlich aber an der Rohheit kärglicher Wertevorstellungen. „Slow West“ adaptiert diese Welt, in der sich Jay (Smit-McPhee) und Silas (Fassbender) uneinig darüber sind, ob der Pessimismus unter dem Optimismus gedeiht. Unkraut unter Blumen. Tod unter Leben. Man kennt das: zwei in ihren Standpunkten diametral gezeichnete Figuren, die zusammenhalten, je größer sich das Hindernis vor ihnen auftürmt. Unterwegs treffen sie, der altruistische Jay und der raubeinige Silas, auf gewiefte Halunken (ein gerissener Wüstennomade) und fachkundige Kopfgeldjäger (ein Pfarrer mit einer meterlangen Wumme), um eine verlorene Liebe (Caren Pistorius) wiederzugewinnen. Die knackige, hervorragend gewirtschaftete Laufzeit von etwas mehr als achtzig Minuten ist genau richtig – „Slow West“ erzählt weder viel noch wenig, aber er achtet auf die lakonische Verdichtung der Erzählung, den narrativen Grundgedanken so weit zu verdünnen, dass das Verständnis über den Schauplatz und dessen Mechanismen jederzeit erhalten bleibt.
Als füreinander brennendes Romeo-und-Julia-Gedächtnisliebespaar jedoch funktionieren Smit-McPhee und Pistorius kaum, zwei unnahbar-unfähige, fad chargierende Darsteller, deren mimische Limitierungen in den bräsig Schmalz anhäufenden Rückblenden erklärlastiger Motivation vollständig Leidenschaft und Sinnlichkeit negiert. Dort ist „Slow West“ beileibe nicht sattelfest, weil er sich darauf versteift, einen Grund zu suchen, wo nicht unbedingt einer sein muss. Zu den am ehesten formal eindrucksvolleren Regiedebüts (John Maclean war Bandmitglied) ordnet sich der Film trotzdem ein. Seine handwerkliche Professionalität sammelt, parallel zu bleischweren Schießgefechten (vgl. „Der Texaner“ gen Showdown), ebenso lyrische Einzelbilder der Gewalt wie Szenen kompositorischer Gewandtheit, wenn Vorder- und Hintergrund gleich scharf eine melodisch-elegische Atmosphäre des Gleichklangs generieren, die im Kino vollstes Potenzial abruft. Vor einem möglichen Vergleich mit den Coen-Brüdern muss sich „Slow West“ nicht winden. Das Humorverständnis grotesker Spitzen ähnelt jenem amerikanischen Duo, das im Unmöglichen und Lebensfeindlichen erst beginnt zu lachen – Pferde mit Wäscheleinen, Pfeile, die per Handfläche „gefangen“ werden, Riesenpilze und kaputt zerschossenes Salz, das zufällig auf frische Wunden rieselt, stellt einen wohligen Gegenentwurf dar, verbissenem Pessimismus unter dem Optimismus ein Quäntchen pfiffigen B-Unsinn einzuträufeln.
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