In Richard Ayoades zweitem Spielfilm „The Double“ erlebt ein neurotisch-schüchterner Arbeiter seinen ganz persönlichen manifestierten Albtraum, als ein Doppelgänger von ihm auf der Firmenleiter hinaufsteigt und ihm auch noch seine potenzielle Freundin ausspannt, während der Rest der Welt grundlos feste auf ihm herumtrampelt. Klingt kafkaesk, basiert dann aber doch auf Fjodor Dostojewski; allerdings nicht minder unheimlich und bedrückend, nur eben als absurde Komödie inszeniert. Den gepeinigten und von seinen Kollegen als unscheinbar behandelten Protagonisten gibt dabei Jesse Eisenberg, der sich fortan in der tricktechnisch famos-gelösten Doppelrolle von Simon James/James Simon beweisen kann.
Zum einen darf er dabei wie selten zuvor eine sympathische, graumausige Art von Charakter vorstellen, die sich dem unbarmherzig abfertigenden System machtlos gegenübergestellt sieht und den Protest dagegen nur mit verhaltenem Flüstern andeuten kann. Doch neben dem gewissenhaften Drang des schier undankbaren Malochens im Moloch wird zumindest noch die Aussicht auf eine naive Romantik mit Kollegin Hannah (Mia Wasikowska) hoffnungsvoll, aber eigentlich hoffnungslos aufbewahrt. Außerdem sammelt Simon nach nächtlichen Teleskop-Spionagen seinerseits (siehe auch Krzysztof Kieslowskis „Ein kurzer Film über die Liebe“) manisch Hannahs kleine Finger-Gemälde aus dem Müll zusammen. Da kommt es nicht von ungefähr, dass er selten ein kraftvolles Wort aus sich herausbekommt.
Zum anderen lässt Eisenberg dann genüsslich den Doppelgänger aufspielen, der in seinem Verhalten eher dem gängigen Rollentypus seines Darstellers entspricht und den clever zappelnden, manipulativen Tausendsassa mit perfid-großkotziger Ader raushängen lässt. Das perplexe Alter Ego trifft da zunächst der Schock, dieses lässt sich jedoch im Folgenden dazu überreden, als Komplize mitzuwirken, auf dass man sich einige unliebsame Aufgaben des echten Arbeitens abnehmen und im Gegenzug bei Selbstwerterhöhungen und vor allem Frauengeschichten nachgeholfen werden kann. Aber wie so oft in solchen zweifelhaften Abmachungen folgt auf die Versprechung meist die Ausnutzung, sprich der langsame Verrat. Und so erlebt der Unschuldigere von den Beiden die allmähliche Zerstörung seiner Existenz – in einer Welt, die sich vollends gegen ihn verschworen hat und, am allerschlimmsten, die Liebe entsagt, dem Anderen aber im Übermaß schenkt.
Auf jenem finsteren Gedanken gründet sich dann die hauptsächliche Basis für reichhaltige Varianten jenes gemeinen Humors, der unserem Hauptcharakter in jeder Lebenslage tagtäglich entgegen geworfen wird und auch den Zuschauer mit permanenter zynischer Frechheit von einer Ecke in die andere schmeißt. Dabei geizt Regisseur Ayoade nicht mit unentwegten Späßen auf der flinken Dialog-Ebene; doch seine audiovisuelle Energie löst den dynamischsten Trieb der Groteske und des Sarkasmus aus, welcher in abwegigen japanischen Pop-Songs und grantig verräucherten Gassen fettig-keifender Mitmenschen abtaucht. Das unantastbare Oberhaupt des Colonels ist da vielleicht noch die strahlendste Erscheinung, doch jedwede Gnade von ihm braucht keiner erwarten, auch erst recht nicht von dem niedlich-weiblichen Objekt der Begierde, das nur Augen für den impulsiveren Nebenbuhler hat und sich für ihn auch in blinde Verzweiflung stößt.
Daraus entwickelt sich schließlich ein schnittiger Bann im Dunkel übermächtiger, scheinbar grenzenlos verdichteter Wände, in der kein natürlicher Lichtstrahl durchkommt. Wohl aber die elliptische Paranoia per Bild, Ton und Schauspiel, in der nur noch die zugefügten Wunden jene konkurrierenden Identität(en) bestimmen und ultimativ vereinen können, während das wahre Gesicht der Zuneigung sich selbst beschuldigend Hoffnung und Vergebung aufscheuchen lässt, selbst wenn man schon halb platt am Boden der Existenz angekommen ist. Klingt ein bisschen abstrakt? Nun, mal will ja ungern direkt den Schluss verraten, der zudem ohnehin ein kleines Verwirrspiel aufbietet. Gesagt sei aber schon, dass „The Double“ vielleicht für den geneigten Zuschauer eine recht bewährte Prämisse darstellt (siehe unter anderem Terry Gilliams „Brazil“ oder Denis Villeneuves „Enemy“), dennoch durchwegs mit gewieften Einfällen, einem selbstbewussten Tempo, technischer Frische und sowieso einer guten Portion emotionaler Reibung punkten kann. Da schaut man gerne zweimal hin!
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