Die Zunge schnitten ihr Indianer heraus. Wenn Eva Greens Princess somit sprechen möchte, dann mittels ihrer Blicke, welche die Männer in Kristian Levrings „The Salvation“ wie grüne Dornen umschlingen. Für jene ist sie, die Prinzessin, zuvorderst Besitz – ein Tier allein zur Befriedigung niederer Bedürfnisse. Als ein unbekannter dänischer Mann (Mads Mikkelsen) in die familiäre Domäne namens Black Creek stößt, sprengt das Regime um Delarue (Jeffrey Dean Morgan) jedoch auf; im Mord seines trunkenen Bruders, dem der Däne in Rache das Leben nahm, weil dieser zuvor seine Frau und seinen Sohn in den Tod schoss. Black Creek hieß in Amerika schon vieles, besonders viele Flüsse und Städte, besonders im Osten, wobei auch bei Kristian Levring alles nur archetypisch nach Westen fließt. Der Däne Levring sendet einen Dänen aus, die amerikanische Bewegung in eine läufige Zukunft zu denken, in Eisenbahnen, in die Gier nach Macht, Blutrache und Schießpulver. Am Ende blubbert gar ein Ölteppich als profanes Vorspiel zu Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“ (2007) im Boden zwischen im Zeitraffer keimenden Tiefpumpen, während die natürlich letzten zwei Lebenden auf Pferden in den grellen Sonnenuntergang pirschen.

Entgegen des noch stumpfen Farbkorsetts der siebziger Jahre, als höchstens das pralle, zähe Kunstblut Kontraste setzte, kriselt die Bildgestaltung Jens Schlossers weniger, sie leuchtet vielmehr. So sprießt das Gras saftig in den selbst bei Nacht kobaltblauen Himmel, die Interieurs wabern entrückt im schmeichelnden Laternenlicht und der Wüstensand perlt in einem Ton seltsamen Beige-Burgunders von den Sporen. Erst eben jener Däne – hier heißt er Jon, um sich dem Angloamerikanischen vermutlich nicht vollends zu verwehren – meißelt Kanten dort hinein: in die konservative Idylle, wo die Bewohner einen sogleich verpfeifen, weil sie zu sehr um ihren eigenen Hals, ihr letztes Hab und Gut bangen. Einmal strauchelt er und Delarue lässt ihn an einen Marterpfahl binden, seine Füße tippen immerfort auf den Schlamm darunter, der ihm den Stand raubt. Kurz darauf klaut ihm der feige Bürgermeister (Jonathan Pryce) im prasselnden Regen auch noch sprichwörtlich das letzte Hemd – nämlich die Stiefel. Fortan berühren seine nun nackten Zehen nur noch aufgeschwemmte Erde. Auch wieder eine fundamentalkapitalistische Metapher. „The Salvation“ kreiert viele jener dekonstruktiven Szenen, welche den Mythos um den Outlaw und dessen Manierismen wiederkäuen, obwohl sie schon satt scheinen.

Mit der existenziellen Revolution aus David Milchs so herrlich desillusionierter Scheißerei „Deadwood“ (2004-2006) hat Kristian Levrings Ausflug in den Leone’schen Spaghetti-Western jedoch wenig gemein; dafür knallt es schlicht zu schnell, zu oft und zu inszeniert. Gerade daraus schöpft der Film gleichsam eine irre Dynamik, deren humoreske Einschübe absichtlich unkalkuliert wirken, besonders, als Jon im Showdown unter einem Holzhaus auf allen vieren robbt und die Ganoven noch immer mit Messer, aber ohne Gabel leichthin tötet. Wilder geht es nur auf den Dächern über ihm zu, wenn sich auch Princess’ wallendes Kleid zwischen Hülsen rekelt, was das filmtheoretische Bild vom damals braven Hausfrauchen oder der höchstens zur Prostitution fähigen Dame amüsant umstößt. Wobei Levring mit Drehbuchautor Anders Thomas Jensen auch da nur den zur Genüge bekannten Stafetten des Genres folgt. Ein Däne, der einen Dänen in das klassischste aller uramerikanischen Genres reiten lässt, adaptiert nun mal nicht zwingend einen neuen (und zudem ausdrücklich nordischen) Kult.

Obwohl es jenen schließlich auch schon nach Finn Karlsson gab: damals 1970 im Sinne der eigentlichen Bedeutung des Begriffs „dänischer Western“ noch ganz und gar komödiantisch verrucht, mit fidelem Badewannenquatsch, maskulinen Zöpfen und mehr Trunkenbolden als tatsächlich Revolvern. In „The Salvation“ fügt sich diesem Ideal höchstens der erotisch Dauerschwitzende Mads Mikkelsen mit Fünf-Tage-Bart und rotem Halstuch ein. Und das reicht völlig aus.

Meinungen

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