„Tracers“ gehört zu jener Art von Genre-Filmen, die nicht mehr darstellen wollen, als sie eigentlich sind. Mit einem derartigen High Concept, das die Handlung des Films ausmacht, kriegt man ohnehin die direktesten und einladendsten Eckdaten schlechthin serviert: Der bescheidene New Yorker Fahrradkurier Cam (Taylor Lautner) ist zwar ein heißer Feger in seinem Job, kann aber kaum seine Miete bezahlen und muss zudem seinen Lohn aufgrund von Schulden an die chinesische Mafia abdrücken. Ein Wink des Schicksals kommt ihm jedoch entgegen, als er die Parkour-Gang um Nikki (Marie Avgeropoulos) entdeckt, ein enthusiastisches Faible für jene Szene entwickelt und dafür trainiert. Er bandelt folglich mit den krassen Hüpfern an, erfährt dadurch aber auch, dass diese mit ihren Talenten Raubüberfälle verüben. Getrieben von Geldnot und der Liebe zu Nikki, entschließt er sich mitzumachen. Doch nicht alles geht so glatt wie ein souveräner Sprung zwischen Häuserschluchten.
Daniel Benmayors Film schaut ziemlich geradeaus auf die eskapistischen Möglichkeiten urbaner Sommerunterhaltung. Seine Action-Romanze formelhaftester Natur geniert sich nicht vor Ähnlichkeiten mit verwandten Extremsport-Narrativen à la „Thrashin’ – Krieg der Kids“ (Lautner sieht sogar ein bisschen nach Josh Brolin aus), „Drop Zone“ oder auch dem ebenso im Fahrradkurier-&-Chinatown-Milieu angesiedelte „Premium Rush“ – und daran ist grundsätzlich nichts falsch. Mit ungebändigter Handkamera wird sich ins sprunghafte Vergnügen verirrt, reichlich Stunts in den Beton gekickt, euphorischer Dubstep losgefetzt, sowie nach Zusammengehörigkeit und Freundschaft gesucht. Die erste Hälfte des Films versteht es aber gleichsam gemäßigt und pointiert, die dringliche Situation von Cam zu porträtieren und verhält sich dabei gar nicht so spekulativ wie das Gros des gängigen Jugendabenteuers.
Im Gegenteil: Das Ensemble gibt sich durchweg Mühe, mit authentischer Leichtigkeit und fern eines forcierten Zeitgeistes zu kommunizieren und größtenteils selbst vor der Kamera herum zu jumpen. Dafür muss der Handlungsverlauf aber zur Mitte seinen Spaß am Sport ablegen, je näher die Charaktere aneinandergeraten, im Kennenlernen ihre Vergangenheit schildern und sich in der Konfrontation der gegenwärtigen Tatsachen aus dem Weg gehen. Eben all das, was ein stimmiger und einfacher Spannungsbogen erfordert – inklusive eines Protagonisten, der für seine Handlungen Verantwortung übt, von seinen Sehnsüchten enttäuscht wird und nach Lösungen sucht, während sich der Plot gen Finale immer mehr zur Eskalation und Befreiung zuspitzt. Ein Stück weit muss sich „Tracers“ dann zur harten Umkehrung des Parkour-Enthusiasmus schleppen, um doch noch anhand flotter Thriller-Elemente den Puls der Bewegung voranzutreiben.
Allerdings bringt dieser Puls den thronenden Wolkenkratzern entsprechend einige Gewaltspitzen, die das PG-13-Rating eigentlich überschreiten müssten und die folgende Jagd ins Großstadtchaos hinein unberechenbar machen. Es wird schroff, dreckig und rasant, wie man es gerne erwartet; zaubert dafür jedoch keine allzu plakativen Zufälligkeiten aus dem Hut und gewährt dem Zuschauer die erfüllende Fantasie eines jeden gewissenhaften Genre-Dienstes. Das wirkt naiv, aber ehrlich – und entledigt sich dank technischer und narrativer Konzentration auf rohe Greifbarkeit vom Zynismus aufgedunsenen Blockbuster-Gestus. Natürlich ist „Tracers“ noch einfach verkäuflicher Mainstream, doch zumindest die charmante Variante mit stimmiger Charakterisierung und einem Gespür für wahre Euphorie.
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Bisherige Meinungen
Spannend, romantisch. Guter Film