Wer schon mal dem einen oder anderen Vertreter des Genres der Romantic Comedy begegnet ist, hat dort auch zwangsläufig mit dem Rollenmodell der schwachen Frau Bekanntschaft gemacht. Irgendwo zwischen Selbstmitleid, Selbsthass und Selbstbestätigung einzuordnen, dient jene Figur der weiblichen Zielgruppe dazu, sich gegenseitig zu bestärken oder die Hoffnung zu visualisieren, eines Tages den idealen Mr. Right zu finden. Anika Decker (Drehbuch für „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“) stellt uns in ihrem Regiedebüt „Traumfrauen“ gleich drei solcher Charaktere als Protagonistinnen zur Seite, wobei die vierte im Bunde schlussendlich ebenso in dieselbe Kerbe fährt, aber vorher immerhin am lockersten mit den forcierten Thematiken des Genres umgeht.

Palina Rojinski steht in der Rolle der Vivienne als freimütige Beraterin zum Thema Männer an der Spitze der Sympathie und ordnet die angebliche Schwäche und Unterwürfigkeit des weiblichen Geschlechts zum männlichen als vorteilhaftes Spiel um, bei dem die Frau entgegen ihrer Emotionalität einer offenen Sexualität Herr werden kann. Ihr Ratschlag wird zwar vom Film in Angriff genommen, doch wieder in allzu erwartbare Konventionen gelenkt – was auch daran liegt, dass Deckers Ensemble und Drehbuch nur bemüht und steif zu Potte kommen, während Rojinski noch am Natürlichsten agiert. Stattdessen liegt der Fokus auf prominenteren Gesichtern wie Hannah Herzsprung, Karolina Herfurth und Iris Berben, welche die Dreifaltigkeit der ideologischen Peinlichkeit ausstellen.

Herzsprung gibt dabei die auf naiv gepolte Versagerin Leni Reimann, während Herfurth als ihre Schwester Hannah ebenso die naive Versagerin mit unbeholfenem Attraktivitätsdrang mimt und Berben als Mutter der Beiden eine neue Liebe sucht, während sie dabei als naive Versagerin den Running Gag der Internetunfähigkeit verpasst bekommt. Kommt einem die Formulierung des letzten Satzes zu repetitiv vor? Dann sollte man sich darauf gefasst machen, wie behäbig der Film diese Charakterdarstellung abarbeitet und im Parallelschnitt zum schleichenden Prozedere ansetzt. Auf unnötig minutiösem Weg werden extra lange Szenarien präsentiert, wie Leni zunächst von ihrem Verlobten betrogen, Hannah in ihrer oberflächlichen Beziehung mit einem Kollegen nicht ernst genommen und deren Mutter von ihrem Umfeld auf eine neue Beziehung gedrängt wird, um es dem Ex und seiner Neuen heimzuzahlen.

Es gilt, in allen Fällen Entlastung zu schaffen. Drum ist intensive Männersuche angesagt, vor allem, was Leni angeht: Schon im Baumarkt hat die Tollpatschigkeit in Person ein Meet-Cute mit dem früheren Kinderdarsteller Joseph (Elyas M’Barek, der nur leidlich als ehemaliger Drogenabhängiger überzeugt), den sie jedoch nicht sofort als potenziellen Liebhaber ansieht, folgerichtig beim Wändestreichen auf dem Schädel und im Krankenhaus landet – weil sie eben einfach zu schusselig ist und im Verlauf auch nicht die Hellste ist, wenn es darum geht zu erkennen, dass er sie liebt. Der Humor des Films ist ohnehin trotz vereinzelter sexy Spitzen und Hangover-Mentalität eine ganz biedere Angelegenheit. Er erhält auch gleichsam wie das altbackene Konzept nur dadurch eine ungefähre Daseinsberechtigung, dass ein modernerer Umgangston gepflegt wird, der aber eher der Fantasie Berliner Wohlstandshipster entstammt, doch nur gängige Situationskomik der Marke Sat-1-Fernsehkomödie konstruiert. Kommt davon, wenn man sich gleichzeitig an die gegenwärtige Generation an Damen wie auch an die im Rentenalter anbiedert – da laden Iris Berben und Friedrich von Thun wortwörtlich zum ganz großen Tennis mit Herzinfarkt ein.

Zugegebenermaßen muss man sich nun nicht über ein austauschbares Genreprodukt wie dieses gesondert aufregen, auch wenn es entschieden rückständig auf die liebevolle Einheit zwischen Mann und Frau hinarbeitet – von dem Märchen des Berufsaufstiegs durch schrille Meinungsäußerung ganz zu schweigen. Wenn man aber ein paar Wünsche äußern darf: Es sollte in Zukunft vermieden werden, dass solche 08/15-Werke zwei Stunden Laufzeit verschwenden. Bekannte Popsongs (unter anderem „Lights“ von Ellie Goulding) sollten auch nicht das Pathos eines Charakterwandels ersetzen, wenn es von vornherein keinen Spannungsbogen gibt, sondern stattdessen eine degenerative Figurenentwicklung von der Selbstständigkeit ins biedere Familienleben hinein. Ein echtes Gespür für Pointen und Tempo ist ebenfalls nicht zu verachten, wo doch schon die technische Umsetzung einen guten Standard erfüllt, aber rein gar nichts wagt. Und so weiter und sofort.

Vielleicht wird es dann auch mal was mit wahrhaftiger Romantik. Ansonsten bleibt nur gestelzte Langeweile, ein dritter Akt im Deus-Ex-Machina-Modus sowie ein Frauenbild anno 1950, wie es Palina Rojinskis Figur in den Liebesvorstellungen von Hannah Herzsprungs Leni erkennt und ausspricht – immerhin jagt diese dem Trauring schon in Nudeln hinterher. Ein bisschen mehr Selbstreflexion kann nun nicht schaden, werte Rom-Com-Künstler und -Zielgruppe.

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