Wie der drollige und kämpferische Rüde in Underdog“ an sich ist auch Kornél Mundruczós Werk ein ganz schön eigenartiger, dennoch größtenteils liebenswerter Mischling. Inhaltlich stark auf den altbekannten Essenzen des üblichen Hundefilms für Kinder aufgebaut, weiß er schon anfangs effektiv-emotional zu packen, sobald der verbitterte Vater der 13-jährigen Lili (Zsófia Psotta) – deren Mutter mit dem neuen Mann in den Urlaub fährt –, ihren Hund Hagen schlicht bei einer strittigen Autofahrt in der Stadt aussetzt, weil sie ihn nicht an ein Tierheim abgeben will. Eine ganz schön krasse Entscheidung, doch in diesem ungarischen Ambiente scheinen vor allem die Erwachsenen ohnehin etwas gegen (Straßen-)Hunde zu haben, als hätte jeder zu viel „Cujo“ gesehen – von der petzenden Mieter-Oma bis hin zum tyrannischen Musiklehrer.

Regisseur Mundruczó gründet dieses Szenario der Feindseligkeit gegenüber dem besten Freund des Menschen auf einer modernen Handkamera-Optik, die roh und temporeich kernige Härte vermittelt, obwohl die Elemente der Geschichte bekannten Mustern des Genres folgen. Entscheidend ist hierbei aber die fabelhafte Führung der Hunde, die selbst naivste Szenen glaubwürdig erscheinen lässt: wie die Anfreundung Hagens mit einem kleineren Hund auf der Suche nach seinem Frauchen oder aber auch der gnadenlose Trupp der Hundefänger, vor dem die Vierbeiner allzu wissend flüchten und sogar zur Sicherheit um die Ecken gucken. Da fehlen eigentlich nur noch Untertitel zum gebellten Dialog. Befremdlich aufgeregt wirkt jedoch die Inszenierung des Geschehens, welche einem reißerischen Thriller der Marke „Bourne“ ähnelt – gefolgt von einer extremen Handlungsentwicklung, die Hagen anhand eines alten Penners über schleimige Abziehbilder afghanischer Hundehändler (problematisch-gehandhabt, Mundruczós selbst spielt zudem deren Anführer) schließlich per Proteine und Steroide in einen räudigen Kampfhundering führt, während Lili ihre Musikschule für die vergebliche Suche nach Hagen schmeißt und im möglichen Ersatz der Jugendliebe schließlich nur noch zum Alkohol und Drogenschmuggel findet. Edgy!

Dieses bewusst düstere und dennoch formelhafte Setting kündigt in sich gewissermaßen wohl ein Gritty reboot des Disney-Hundefilms an, so möglichst realitätsgetreu und dennoch dem eskapistisch-rührseligen Grundgedanken der eigentlich kindlichen Ausgangslage gegenüberstehend. Was dabei als herzliches Drama entzweiter Freundschaft anfing, gerät in die blutige und fluchende, jedenfalls plakativ-dargestellte Unterwelt und scheint sogar trotz eventueller Flucht im dämonisierten und als KZ-Allegorie stehendem Hundeheim zu enden. Doch genau dann legt der Film seinen Schalter um, gibt sich seinen klischeehaften Ansätzen und konstruierten Zufälligkeiten vollends hin und setzt zur fetzenden, urkomisch-kathartischen Befreiung und Rache durch die Erlöserfantasie der Hunde an – ähnlich ökologisch motiviert und erbarmungslos wie in Franco Prosperis „Wild Beasts“. Diese können sich nämlich laut Nachrichten offenbar wie Armeen zusammenrotten (!), auf jeden Fall aber die Stadt in Angst und Schrecken versetzen und ihre Opfer mit Slasher-artiger Präzision in den ehemaligen Peinigern finden. Womöglich ein feuchter Traum für reaktionäre Tierfreunde auf Facebook und Co.

Jene aberwitzig extremistische Trivialisierung des Konflikts bringt sicherlich einiges an befreiendem Gelächter mit sich, so wie die durchwegs stark spielenden Hunde zur meist ernst gemeinten und epochal-vertonten Grundstimmung des Films clevere Taktiken gegen die Polizei einsetzen. Doch die emotionale Reise Lilis droht dabei, auf der Strecke zu bleiben. Schließlich endet die unausweichliche Konfrontation des traumatisierten Hagen mit ihr in Erinnerung an die emotionale Bindung (in einem Bild, das „The Master’s Voice“ referenziert) doch noch versöhnlich – siehe dazu auch die ähnlich verlaufende „Simpsons“-Folge „Der tollste Hund der Welt“. Dies mag zwar einen etwas melodramatisch aufbrausenderen Schlusspunkt setzen, als man von den bodenständigen Anfangsminuten erwartet hätte: Aber dennoch wiegt die Wiedervereinigung auf den spannungssüchtigen Gedanken des Zuschauers, der zudem trotz aller dramaturgischer Einfältigkeiten auf dem Weg dorthin noch mit einen gewitzt-blutrünstigen Twist der Rechtschaffenheit belohnt wird. Funktioniert das insgesamt als stimmige Einheit? Nicht wirklich. Und ist sogar abseits der geschickt inszenierten Hundeführung ein gutes Stück schludrig und reißerisch aufgebaut. Doch als streunender Mix der Extreme seines Ursprungsgenres durchläuft „Underdog“ eine Vielzahl von Emotionen und trifft unterhaltsam jeden Zuschauer an mindestens einem Punkt – egal ob man nun Hunde mag oder nicht.

Meinungen

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