Jetzt, da die Sonne langsam öfter über dem Himmel kreist und UV-Strahlen auf die Birne brennt, hat man unter Umständen eher Lust, sich an die frische Luft zu begeben und die Initiative zur individuellen Erfüllung in Angriff zu nehmen. Bei all dem resultierenden Spaß und guter Laune bleibt aber mitunter nur wenig Zeit für ernsthafte Reflexionen oder trübe Tassen. Was daher bleibt, ist ein unbedarftes Sommerloch, bei dem selbst das Kino in all seiner Dunkelheit nicht umhin kommt, genau diese Erfrischung der Losgelöstheit zu visualisieren. Aus diesem Grund haben sich dann wohl für den Juni auch fast ausschließlich Filme zusammengefunden, in denen an mindestens einer Stelle getanzt wird. Der Rhythmus ist wieder ins Blut gekehrt, weil es dort kocht und präsenter in der Fröhlichkeit feiert, als es „A World Beyond“ einen einreden will.
Die Filme im Juni
Nun lebt man und denkt nicht an morgen – und wenn doch, dann an den nächsten Spaßfaktor. Weil wir aber an Euch Leser und Euer Verlangen nach frischen Filmen denken, haben wir in die nächstgelegene Zukunft geschaut. Auch dort lässt sich schon ein gewisses Sommerloch vorfinden. Doch was sich innerhalb dieser fünf Empfehlungen auf der (auch heimischen) Leinwand abspielt, zieht durch die Städte, am Strand vorbei und ist im Taumel der Gefühle unterwegs – selbst wenn manch einer in physischer wie psychischer Gefangenschaft steckt. Über die Grenzen soll es schließlich gehen und damit weg von allerlei Problemen des Alltags. Wer dazu gerne tanzen mag, findet im Folgenden seine auf Zelluloid besohlten Tanzpartner.
Love & Mercy
Kinostart: 11. Juni. Regie: Bill Pohlad.
Im Repertoire der Beach Boys gibt es einen Song, da geht es um „Fun, fun, fun till her daddy takes the t-bird away!“. Was als unschuldiger Zeitgeist die Ätherwellen beglückte, ist eigentlich allzu bezeichnend für das Leben des Bandleaders Brian Wilson, dem wir in „Love & Mercy“ beiwohnen dürfen. Bill Pohlads Film hebt sich insofern vom gängigen Musiker-Biopic ab, dass er ein Psychogramm seines Protagonisten anhand paralleler Zeitlinien greifbar macht und dabei weniger die Abarbeitung von entscheidenden Karrieremomenten verfolgt, als eine Geschichte mentaler Verzerrungen aufzuziehen. Das poppige Zeitkolorit enttarnt sich dabei schnell als nicht weiter beachtenswerte Oberfläche – vielmehr veräußerlicht sich das Innenleben Wilsons (Paul Dano) für den Zuschauer im Wandel der Zeit.
Victoria
Kinostart: 11. Juni. Regie: Sebastian Schipper.
„Victoria“ kündigt sich schnell als Probe für das geschulte Auge des Kinogängers an: Mit einem Stroboskopgewitter eröffnet Regisseur Sebastian Schipper den Zugang in eine Berliner Nacht, der wir als geisterhafte Begleiter in Echtzeit und (angeblich) einer einzigen Einstellung beiwohnen dürfen. Schippers Film birgt nämlich die Ambition, anhand eines Kraftakts aus Organisation, Kamera und Schauspiel das Maximum an Realismus darzulegen – und größtenteils ist dieses narrative Experiment auch gelungen. So lernen wir unsere Protagonistin zunächst als Klubgängerin im Rausch der Musik kennen, deren Schicht im Café um die Ecke in wenigen Stunden beginnt. Auf dem Weg nach draußen begegnet sie allerdings zufällig vier feiernden Gesellen, anhand derer sich allmählich ihr Hintergrund öffnet; dass sie aus Madrid kommt, erst drei Monate in Berlin wohnt und dem urbanen Spaß der Jungs gar nicht mal abgeneigt ist.
Big Game
Kinostart: 18. Juni. Regie: Jalmari Helander
Abgesehen von kleinen regionalen Noten befähigt sich Regisseur Helander einer souveränen, doch vollends vorhersehbaren Gestaltung auf der High-Concept-Basis alter Schule. Sein „Big Game“ referenziert durchweg Genrekino-Schemata der achtziger und neunziger Jahre – dazu zählen Rollenmodelle klassischen Action-Kintopps, höchst offensichtliche Etablierungs-Dialoge und coole One-Liner, obligatorische Lagebesprechungen von Militär und Regierungsvertretern im Pentagon-Kontrollzentrum sowie standardisierte Inszenierungsformeln in Bild und Ton inklusive Instant-Pathos. Man kann es dem Werk schon zugute halten, dass es dadurch unaufgeregte Geradlinigkeiten der Genre erfahrenen Kohärenz erschafft, aber eben auch Action- und Abenteuer-Szenarien fern jeder Prätentiösität in anständig pointierter Dramaturgie anordnet.
Freistatt
Kinostart: 25. Juni. Regie: Marc Brummund.
Mit dreckigem Naturalismus verlangt Regisseur Brummund von seinem Ensemble eine Gefühlsnähe ab, die selbst im Gegensatz zur Abzählbarkeit des Plots und Raffgier der Dialoge unnachgiebig hämmert. In welche Extreme „Freistatt“ dabei innerhalb seines körnigen 35mm-Zeitkolorits vordringt, ist derart unglaublich, dass es nur noch als klischeebesessen bezeichnet werden kann. Der große Spaß in diesem Abenteuer kommt aber daher, dass es einem nicht mehr vorgaukeln möchte, als es verspricht. So wird jede Handlungsentwicklung und jeder Satz zur Pointe, während der Grundgedanke die Empathie am Laufen hält und gleichsam auf den Magen schlagende Spannung erzeugt. Da der Großteil jener Suspense allerdings noch immer darin liegt, wie exzessiv die nächste Szene verlaufen könnte, muss man sich fragen, wie ernst die ganze Angelegenheit eigentlich gedacht war und somit vielleicht versagt.
Underdog
Kinostart: 25. Juni. Regie: Kornél Mundruczó.
Wie der drollige und kämpferische Rüde in „Underdog“ an sich ist auch Kornél Mundruczós Werk ein ganz schön eigenartiger, dennoch größtenteils liebenswerter Mischling. Inhaltlich stark auf den altbekannten Essenzen des üblichen Hundefilms für Kinder aufgebaut, weiß er schon anfangs effektiv-emotional zu packen, sobald der verbitterte Vater der 13-jährigen Lili ihren Hund Hagen schlicht bei einer Autofahrt in der Stadt aussetzt. Was als herzliches Drama entzweiter Freundschaft anfängt, gerät in die blutige und fluchende, jedenfalls plakativ-dargestellte Unterwelt und scheint sogar trotz eventueller Flucht im dämonisierten und als KZ-Allegorie stehendem Hundeheim zu enden. Doch genau dann legt der Film seinen Schalter um, gibt sich seinen klischeehaften Ansätzen und konstruierten Zufälligkeiten vollends hin und setzt zur fetzenden, urkomisch-kathartischen Befreiung und Rache durch die Erlöserfantasie der Hunde an.
Weitere Starts im Juni
Ebenso in den hiesigen Lichtspielhäusern laufen an: „Kind 44“ und „Spy – Susan Cooper Undercover“ am 4. Juni; „Jurassic World“, „Love Hotel“, „Miss Bodyguard“ und „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ am 11.; „City of McFarland“, „Die Lügen der Sieger“ und „Trash“ am 18. Juni sowie „Antboy 2 – Die Rache der Red Fury“, „Dior und ich“, „Die Liebe seines Lebens“ und „Ted 2“ am 25. Juni.
Für alle, die sich ihre Hintern lieber oder vorrangig auf der heimischen Couch platt drücken, gibt es: „Ich und mein Ding“, „John Wick“ und „Ouija – Spiel nicht mit dem Teufel“ ab 4., „5 Zimmer, Küche, Sarg“, „The Interview“ und „Wenn du krepierst, lebe ich“ ab 5. Juni, „Baymax – Riesiges Robowabohu“ und „Birdman“ ab 11. Juni, „Blackhat“ und „Fifty Shades of Grey – Geheimes Verlangen“ ab 18., „Whiplash“ ab 19., „American Sniper“, „Foxcatcher“ und „Inherent Vice – Natürliche Mängel“, „Into the Woods“, „Annie“, „Jupiter Ascending“, „Project Almanac“ und „Wild Tales – Jeder dreht mal durch!“ ab 25., „The Imitation Game“ und „Winterschlaf“ am 26. sowie „Manolo und das Buch des Lebens“ ab 30. Juni.
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