Irgendwo in Erik Poppes „A Thousand Times Good Night“ liegt mehr als ein Melodram über eine von den Augenblicken des Krieges verfolgte Frau begraben: Wenn sich Bildgestalter John Christian Rosenlund nämlich elegisch, schüchtern, zart an Juliette Binoches wundersame, taube Mimikry schmiegt und schwerlich von ihr lösen kann, obwohl die Welt im Hintergrund aus den Fugen fällt. Weit weg spielt Binoche ihre Fotojournalistin Rebecca – weit weg, wenn sie eigentlich zu Hause ist, in Dublin bei ihrem Mann (Nikolaj Coster-Waldau) und den zwei Töchtern. Aber wie nah sie dann wieder in die Szenarien tritt, als sie viel zu junge Selbstmordattentäterinnen in Kabul porträtiert. Gerade jene Bilder tarieren die Realität zweier Universen aus, deren Konflikte als Randnotiz ausgetragen werden, während Poppe seiner prägenden Frau als Protagonistin zu wenig Substanzielles abgewinnt.

Schließlich fordert „A Thousand Times Good Night“ neben dem kinematografischen Kriegsabriss dringend eine Auseinandersetzung mit der heutzutage symptomatisch gewordenen Frage, ob Mann und Frau tatsächlich gleichgestellt sind und identisch agieren dürfen, ob nun im Krieg oder in der Familie. Was Provokation sein könnte oder schon sein sollte, bleibt lösendes, destruktives Segment, welches Poppe kaltherzig für einige dressierte Schnittfolgen in einem kenianischen Flüchtlingslager aufgibt. Den Streit zwischen Rebecca und ihrem Mann gibt es trotz allem, er führt jedoch in die Irre, weil er nur die konservative Frage nach dem Sinn eben dieses Berufs stellt und warum ihn gerade eine Frau und Mutter übernimmt. Stattdessen sollte er fragen: Warum ist es einer Frau und Mutter verpönt, als Fotojournalistin in Kriegsgebieten zu arbeiten?

Gerade Poppe sollte als ehemaliger Kriegsfotograf in der Lage sein, die Faszination dieser Berufung nicht nur inszenatorisch, sondern auch konkret zu visualisieren – nicht zwingend mit Worten, doch fest in seinen Figuren verankert. Allein die Gier nach dem nächsten Moment, wenn die Linse schließt und der Augenblick stillsteht: Was fühlt Rebecca dann? Und wie lebt ein Mensch immer in dem Drang und mit der Angst, genau die nächste Reise könnte die letzte sein? „A Thousand Times Good Night“ mäandert zu sehr in szenischer Dramatik, weniger im Schmerz der Menschen in ihr.

Meinungen

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