Bei diesem zweiten Leinwandabenteuer des beliebten Manga- und Anime-Helden Lupin III. in Spielfilmlänge handelt es sich um das Kino-Regiedebüt des inzwischen als japanische Animationslegende geltenden Hayao Miyazaki. Jahre, bevor er internationale Aufmerksamkeit mit den Werken seiner eigenen Produktionsanstalt Studio Ghibli erreichte, war er unter anderem als Animationsleiter und Storyboard-Artist verschiedener einheimischer Serien und Filme unterwegs, bevor er sich zusammen mit seinem späteren Kollaborateur Isao Takahata erstmals als Regisseur bei einigen Episoden der Manga-Adaption „Rupan Sansei“, sprich Lupin III., beweisen konnte. Aufgrund dessen schien er besonders geeignet, bei der zweiten Kino-Variante desselben dort wirkenden Figurengefüges die Leitung zu übernehmen, nachdem der eigentlich dafür vorgesehene Yasuo Ôtsuka, seines Zeichens Regisseur des vorangegangenen animierten Leinwanddebüts der Lupin-Figur, „The Secret of Mamo“ (1978), mit dem ursprünglichen Skript unzufrieden war und an Miyazaki übergab.

Der wiederum verwarf es ebenso und erschuf gemeinsam mit Haruya Yamazaki eine neue Geschichte, die aber laut eigener Aussage unter einem sehr eng bemessenen Produktionsplan von lediglich vier (!) Monaten litt und in der Postproduktion nochmals umgeändert werden musste, um den Veröffentlichungstermin einzuhalten und auch nicht das Budget zu überspannen. Miyazaki ist deshalb bis zum heutigen Tage unzufrieden mit seinem ersten Spielfilm und sah darin sicherlich einen der Hauptgründe dafür, sich fortan um eine eigenständig-unabhängige Produktions-Identität zu bemühen. Warum sein Lupin-Werk aber dennoch ein ausgesprochen großartiger Film geworden ist, der bis heute eine passionierte Fan-Gemeinde für sich behaupten kann, lässt sich wie folgt erklären: Sofort katapultiert er uns nämlich in eine aufregend Energiereiche Actionsequenz, in welcher Meisterdieb Lupin und sein tougher Kumpel mit Hut, Daisuke Jigen, ein (geographisch nicht näher definiertes) Casino ausrauben und ihre Verfolger in die Tasche stecken, da sie deren Reifen schon im Vornherein unbrauchbar gemacht haben. Siegessicher stellt unser flüchtendes Duo aber schnell fest, dass sie nur Falschgeld aufgeladen haben. Doch auf die Ernüchterung folgt Enthusiasmus, denn wer auch immer solch gute Blüten hergestellt hat, dürfte einen klasse Schatz im heimischen Tresor beherbergen und damit auch eine Herausforderung, die dem Talent unserer Räuberpistole Lupin angemessen ist.

Da spricht Miyazaki schon für sich, wie sein Alter Ego Lupin hier von einem gelungenen, aber unerfüllenden Abenteuer (stellvertretend für das schwache Ursprungsdrehbuch) mit vollem Elan in eine neue, abwegige Reise hineindriftet, die eher seinen Vorstellungen und Wünschen entspricht. Im Kleinstaat Cagliostro dann angekommen, weicht Miyazaki sodann von der eigentlichen Geld-/Raub-Geilheit Lupins ab, lässt ihn die äußerst malerisch-detaillierten Hintergründe und Lokale begutachten und bei einer physikalisch-durchgeknallten Verfolgungsjagd die von zwielichtigen Schergen verfolgte Prinzessin Clarissa retten, bevor es ans Eingemachte geht. Schließlich findet er durch sie nicht nur eine Verbindung zu eben jenem illustren Geldfälscher, dem Grafen Cagliostro, sondern auch zu seiner eigenen Vergangenheit, da er schon in seiner Jugend dem Reiz des Vermögens jenes Grafen verfallen war und beim damaligen fehlgeschlagenen Raubversuch von der einst noch kleinen Clarissa lebensrettend versorgt wurde. Diese sorgsame Unschuld ihrerseits hat er nie vergessen und so treibt seine Nostalgie fortan eher den Plot voran, als alle vorsätzlichen und eigentlich recht naiven, monetär-kriminellen Ambitionen (die sich ohnehin als gefaked und sogar fatal entpuppen) – schon in diesem Frühwerk zeichnet sich eben eine waschechte Storyline à la Miyazaki ab, der im Verlauf seiner Karriere ja immerzu Persönliches und Vergangenes verarbeitete, um unter anderem den Weg des Erwachsenwerdens zu reflektieren (siehe auch „Mein Nachbar Totoro“ und eben sein letzter Film „Wie der sich Wind hebt“).

Und dennoch vergisst er bei diesem herzlichen Caper noch lange nicht den anarchischen Hang und Drang zum Abenteuer, schließlich kommt so eine Rettung der Prinzessin vor dem herrischen Grafen – der sie wie eine märchenhaft-melancholische Puppe in seinem gotisch-finsteren Schloss gefangen hält und für den Erhalt zweier Schatz-offenbarender Ringe zur Heirat zwingen will – nicht von ungefähr, erst recht, als Lupins alte Kollegen, der Samurai Goemon und die ebenso gewitzte Diebin Fujiko sowie sein ihn ewig jagender Erzfeind Inspektor Zenigata, in diesem exotischen und doch wiedererkennbar-drolligen Fantasy-Ambiente zur Unterstützung auftauchen. Miyazaki missachtet eben nicht die Vorlage, die ihm aufgetragen wurde, sondern bietet ihr neue persönliche Facetten sowie reichlich clevere Zelebrationen und Erweiterungen ihres eskapistischen Charmes, bei dem die Bösen ständig an der Nase herumgeführt werden und sich jedes noch so unmögliche bis tödliche Hindernis (meistens) mit Coolness und Gadgets meistern lässt.

Die Romantik eines wahren Abenteurers definiert sich eben durch sein Geschick ambitionierter und geradezu verschlingender Energie, egal ob nun im Vordringen zu gigantischen Schätzen oder auch der Erfüllung emotionaler Sehnsüchte (nicht, dass Lupin als unverbesserlicher Haudegen unbedingt bei Clarissa bleiben wird, aber immerhin befreit er sie von der inneren Unterdrückung) – und Miyazaki schätzt diese Reize als Gleichfalls-Abenteuerlicher durchwegs so sehr, dass er sie stets in der ausnahmslos kreativen und von Natur aus schwierigen Kunst der Animation umsetzte, der magischen Zündung unserer Fantasie willen. Deshalb ist die Qualität seines Lupins weiterhin ungebrochen, auch wenn er selber noch mehr für ihn vorsah, nicht satt werden konnte, eben wie der unaufhaltsame Held an sich, dem er hiermit einen äußerst genüsslichen und dringlichen Film widmete. Da wundert es auch kaum, dass die Figur Lupin in diesem August nochmals auf der japanischen Leinwand zum Leben erweckt wird, in einer Realverfilmung von Ryûhei Kitamura, welcher damit das Erbe von Takashi Tsuboshima und dessen ebenfalls sehr empfehlenswerten, ulkigen Live-Action-Adaption von 1974 antritt: Wir Zuschauer wollen eben das Abenteuer am Leben erhalten, denn das Leben ist natürlich ebenfalls pures Abenteuer.

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