Wir schreiben das Jahr 1985 und ein Filmstudio, welches die Geschichte des Animationskinos prägen sollte, wurde gegründet. Die Rede ist natürlich vom japanischen Studio Ghibli, das mehr Träume und fantastische Geschichten entstehen ließ, als vorstellbar ist. Ausschlaggebend für die Gründung des Studios war der finanzielle Erfolg des Mangas „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ und dem darauf basierenden gleichnamigen Anime. Hayao Miyazaki lieferte mit „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ zwar nicht seine erste Regiearbeit (denn die war schon „Das Schloss des Cagliostro“ aus dem Jahr 1979), aber sein Stil, der viele seiner späteren Werke prägte, konnte in diesem Film das erste Mal richtig entdeckt werden. Die Thematiken um das Fliegen, die Verbundenheit zur Natur und das Ablehnen des Krieges sind in „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ allgegenwertig und wurden von Miyazaki auch weiterhin oft verwendet. Doch stellt dieses Werk keine frühe, noch unbeholfene Fingerübung dar, sondern darf zu den besten und bedeutendsten Werken des Regisseurs überhaupt gezählt werden.

Irgendwann in der Zukunft: Die Erde ist so gut wie unbewohnbar. Ein riesiger giftiger Pilzwald macht das Leben für Menschen ohne Atemmase unmöglich. Bäume, Tiere und Insekten haben sich die Erde zurückerobert. Lediglich wenige Flecken des Planeten sind für Menschen ohne Probleme zugänglich. In einem dieser Dörfer, dem Tal der Winde, lebt die titelgebende Prinzessin Nausicaä. Zusammen mit ihrem Volk versucht sie, so gut es möglich ist, im Einklang mit der Natur zu leben. Als eines Tages ein riesiges Kriegsflugzeug im Tal abstürzt und die Besatzung des Luftschiffes dieses als Platz für ihren Krieg gegen die Insekten benutzt, versucht Nausicaä alles daran zu setzen, ihr Volk und die Insekten zu retten.

„Sternenkrieger – Warriors of the Wind: Ein Science-Fiction-Comic, auch für Erwachsene“, dieser Spruch ziert die alte VHS von UFA, die den Film damals herausbrachte. Damals wusste man allerdings nicht, ob man dafür nun dankbar sein oder doch fürchterlich schaudern sollte. Denn UFA und auch viele andere Verleiher kürzten den zweistündigen „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ um lockere dreißig Minuten und brachten ihn als neunzig-minütiges Anime-Häppchen auf den Markt. Die Verbreitung der japanischen Zeichentrickfilme steckte im Vergleich zu heute wahrlich noch in ihren Kinderschuhen. So ist es irgendwie nicht verwunderlich, dass man den Film temporeicher gestalten wollte. Auch der Name Nausicaä schien zu ungewöhnlich und daher wurde die Heldin des Films in Deutschland kurzerhand in Prinzessin Sandra umgetauft. Heute ist diese Kuriosität von Fassung allerdings kaum noch erhältlich und auch hierzulande hat sich die normale, ursprüngliche Fassung des Films durchgesetzt: mit Heldin Nausicaä und knapp zwei Stunden Spielzeit.

Nach Nausicaä war wahrscheinlich keine Heldin in Miyazakis Filmen derart heroisch und stark wie hier. Vielleicht schien Miyazaki diese Heldin selbst ein wenig zu stark, da seine zukünftigen Protagonistinnen zwar nicht weniger heldenhaft aber doch feinfühliger zur Sache gingen. Und obwohl Nausicaä sehr viele männliche Charakterzüge an sich hat, ist sie Miyazakis schönste und am weiblichsten gezeichnete Figur überhaupt. Das unterstreicht er in „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ mit einigen wenigen Fan-Service-Szenen, etwas, was er nach diesem Film nie wieder machte. Im Allgemeinen muss gesagt werden, dass der Film mit seinem Hauptcharakter steht und fällt: Wenn sich Nausicaä heldenhaft, ihr eigenes Leben riskierend auf ihren Fluggleiter schwingt, um ein abstürzendes Flugzeug oder ein riesiges verletztes Insekt zu retten, wirkt das stets authentisch und passt zum Charakter. Ihr Heldenmut und ihre aufrechte, immer ehrliche Art ist außergewöhnlich und wirkt beinahe ansteckend. Viele seiner späteren Heldinnen tragen immer ein Stück Nausicaä mit in sich herum. Die Aura der Figur zieht sich durch Miyazakis gesamte Filmografie: Ohne eine gelungene „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ hätte es vielleicht nie „Chihiros Reise ins Zauberland“  in dieser Form gegeben.

Wir schreiben das Jahr 2014: Hayao Miyazaki hat gerade seinen letzten Film vorgestellt. In „Wie der Wind sich hebt“ geht es noch immer ums Fliegen, den Krieg und auch um starke Frauen. Es soll der letzte Film des Anime-Meisters gewesen sein, dessen Karriere mit „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ erst so richtig anfing und das Anime-Kino revolutionierte. Dazwischen liegen viele grandiose Filme, ein Oscar und das höchste japanische Box-Office-Ergebnis aller Zeiten. Miyazaki hat das Träumen nie verlernt. Auch wenn „Wie der Wind sich hebt“ sein letzter Film sein wird, so hat er der Filmwelt viel geschenkt. Und eines der größten Geschenke ist eine der wahrscheinlich mutigsten, stärksten und schönsten Prinzessinnen überhaupt: Nausicaä.

Meinungen

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