Die Tarnung versteckt ihren Leib hinter Polizisten, bis sie ganz untergeht. Ein Schutz ist sie nur, ein Mantel vielleicht, der leicht unsichtbar macht, aber niemals komplett. Sollte Hollywood im Laufe der Jahre eines regelrecht verstanden haben, dann die Verschwörung zu konstruieren. Späher, immerzu auf der Lauer und mit portionierten Informationen bestückt, kämpfen dort in Thrillern, die meist auf einer wahren Begebenheit beruhen. Mal sind es Banden, anderswo Gesetzeshüter – Gut und Böse rücken aber grundsätzlich in den Vordergrund. Manchmal genügt selbst ein kindlich-naiver Ryan Phillippe, einen Film über heikle, vergessene Thematiken zu retten. „Enttarnt“, wie Billy Rays Erzählung über Entfremdung, Spionage, Tarnung und vor allem Enttarnung heißt, führt dagegen ein noch differenzierteres Bild von der erschöpfenden Tätigkeit seiner Charaktere aus. Obgleich Ray seinem Film über Robert Hanssen (Chris Cooper) Gegensätze hinzufügt, den Zuschauer auf seine Seite zu ziehen vermag und seinen Kontext verständlich gestaltet, deutet er dennoch auf seine Einfachheit. Die bisweilen klärt alle Komplexität in Luft auf.

Fragen treten hervor, verschwinden später, Antworten werden gestreut und die Fragen doch verworfen. Der Mann hinter all dem ist ein Unbekannter, zumindest für jene schnelllebige Zeit, in der Amerika auf den Bush’schen Tatendrang reduziert wurde. Seine Name: Robert Hanssen. Nie wurde Spionage und das Dasein als Maulwurf, schlagfertiger, nie unerbittlicher verkörpert. Dahinter steckt die Gegenwart, die Hanssen im Hochsicherheitskomplex verbringt. Auf seiner Seite: eine Stunde Freigang täglich und lebenslängliche Strafverrichtung. Hanssen ließ Amerika blass aussehen, indem er Jahre lang den Russen geheime Dokumente und mehrere US-Agenten auslieferte. Der Film „Enttarnt“ ist dabei lediglich ein zweimonatiges Zeitdokument – ein kurzer Blick in Hanssens Leben und Schaffen, kaum, dass es mehr wäre als der glasige Versuch, den Mann zu stürzen, der gut und gerne sein Land verriet.

Zug um Zug zeigt das Schachspiel die Uferlosigkeit des Unterfanges auf: „Enttarnt“ setzt auf eine unbeholfen stringente Handlung im Geiste des New Hollywood; nur ohne Feuer, ohne Lust. Die Kamera summt vor den Gesichtern seiner Protagonisten und taucht ein in den Expressionismus des Utopischen. Kalt ist das mitunter, streng konstruiert, aber immer ungemein uferlos in seiner Blässe von grünen und blauen Tönen. Wieder lässt der Spionagethriller den Umkehrschluss zu, mit einfachen Mitteln Täter und Opfer zu dechiffrieren; wieder legt ein gar übersinnlicher Drang, hin zur Religion, menschliche Verbindungen offen; wieder strotzen die Hausfrauen vor Vernunft. Geschichte will hier erzählt werden, nicht aber die Natur Hanssens, obgleich jene spannend genug gewesen wäre. Ein bisschen stinkt „Enttarnt“ zum Himmel seiner Schauspielriege des partout Hintergangenen.

Der Teufel badet an der Oberfläche seines Hauptdarstellers Ryan Phillippe. Sein Eric O’Neill ist ein Gewinner des Kommunismus, ein hübscher Jüngling, der bestenfalls darauf besonnen ist, höhere Ebenen zu erklimmen. Jede Szene wirkt beharrlich strukturiert, jedes Gespräch gleich eines Überfalls, jedes Licht, jeder Schatten mutwillig gezeugt. Eine Disziplin des alten Hollywood, in einem Konstrukt, das nur ein neues Hollywood zulässt. Obwohl die Gegensätze sich im Film magisch anziehen, gelingt die stilistische Mischung selten bis affektiert, weil weder Phillippe noch Chris Cooper ihrer Spannung gerechte Methoden folgen lassen. Ein paar Kirchgänge hier, Predigen dort und schweigsame Minuten in der Beichte stoßen lange nicht die tosende Ruhe fort, die der Film von Beginn an verfolgt und selbst im Schluss hartnäckig weiter hält. Dabei schlägt Coopers Brodeln das unentwegte Zittern und Zitieren seines Assistenten Phillippe wortlos über Bord – ein Spiel mit Augenbrauen, leisem Fauchen und einer Spur Ironie, die mühelos Garstigkeit ansteckt.

Am Ende lernt O’Neill nur eines: Agenten schweigen lieber. Und der Zuschauer bemerkt: Filme rumpeln lieber.

Meinungen

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